: Rugmark-Label kommt auf den Teppich
Ethisch denkende Verbraucher wollen keine Kinderarbeit. Siegel schützen jedoch nur ihr Gewissen, weniger die Kinder
BERLIN taz ■ Rugmark feiert Geburtstag. Das bekannteste Siegel gegen Kinderarbeit kam vor zehn Jahren auf den Markt. Die Organisation stellt es als ausgesprochen erfolgreich dar: „Durch die Einführung des Sozialsiegels wurde die Ausbeutung von Kindern in den Knüpfereien entscheidend zurückgedrängt.“ In Nepal würden 65 Prozent, in Indien 25 Prozent der Teppichproduktion überwacht, heißt es.
Inzwischen liegen in 3,5 Millionen deutschen Zimmern Teppiche mit dem Label. Wenn sich Konsumenten überhaupt für Herstellungsbedingungen interessieren, steht der Verzicht auf Kinderarbeit auf Platz eins. Weit über 50 Prozent gaben bei einer Befragung des imug-Instituts an, dass sie Unternehmensverantwortung an diesem Kriterium festmachten. Deshalb gerieten Teppichhersteller und -verkäufer Anfang der 90er-Jahre schnell unter Druck, als Fotos und Berichte über Kinder kursierten, die an Knüpfstühlen festgebunden oder als Lohnsklaven verkauft wurden. Ein „Gütesiegel“ erschien als Lösung. Vier Labels kamen auf den Markt – darunter Rugmark. Initiiert wurde es von Brot für die Welt, unterstützt durch die GTZ, Unicef, terre des hommes und Misereor.
„Jeder kann etwas gegen Kinderarbeit tun. Werfen Sie vor dem Kauf einen Blick unter den Teppich und achten Sie auf das Rugmark-Zeichen“, wirbt Fernsehmoderatorin Sabine Christiansen zum Jubiläum. Doch es gibt Zweifel daran, dass Anti-Kinderarbeit-Siegel eindeutige Erfolgsgeschichten sind: „Keine der Gütesiegel-Initiativen sieht konkrete Alternativen für die entlassenen Kinder vor“, schreibt etwa die Volkswirtin Julia Kuschnereit in ihrer Dissertation. Ebenso wenig strebten sie eine „Kompensation für das entgangene Arbeitsentgelt oder die Schaffung alternativer Einkommensquellen“ an. Als Ausnahme nennt Kuschnereit 101 Schuldknechte, die durch Rugmark in einem Rehabilitationszentrum untergebracht wurden: Ihre Lebensbedingungen hätten sich zweifelsfrei verbessert.
Auch andere Quellen kommen zu dem Schluss, dass die Vorstellung, die Kinder gingen jetzt alle ausschließlich zur Schule, verfehlt ist. Nach Recherchen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) in 27 Dörfern waren die ehemaligen Teppichknüpfer danch in der Landwirtschaft beschäftigt oder arbeiteten in der Sari- oder Zigarettenproduktion. Über die dortigen Lohn- und Arbeitsbedingungen gibt es keine Informationen.
Unbestritten ist, dass Rugmark mit den Lizenzgebühren neben der Kontrolle der Knüpfbetriebe auch Ausbildungsprogramme und Schulen finanziert. Doch das Geld dafür wird immer weniger: Immer weniger Menschen kaufen geknüpfte Teppiche. ANNETTE JENSEN