: Frauentag am Kap
SYMBOLPOLITIK In Südafrika gehört das Gedenken an den Widerstand von Frauen gegen die Apartheid zur Staatsräson. Hilft das der Gleichstellung?
ist Ethnologin. Zuletzt publizierte sie „Im Schatten der Apartheid. Frauenrechtsorganisationen und geschlechtsspezifische Gewalt in Südafrika“ (2005) und „Frauen und Kriege in Afrika“ (2008).
Die ANC-Regierung hat den 9. August zum nationalen Frauentag in Südafrika erklärt. Damit gedenkt sie der größten Demonstration, die es bis dahin in der Geschichte des Landes gegeben hat: Am 9. August 1956 zogen über 20.000 Frauen in einem friedlichen Protestmarsch vor das Parlamentsgebäude in Pretoria, um gegen den Zwang für Nichtweiße zu protestieren, zu jedem Zeitpunkt ein umfängliches Passbuch bei sich zu tragen.
Dieses Passbuch enthielt neben einem Foto und der Angabe des Geburtsorts, neben Zeugnissen des Arbeitgebers sowie der Polizei gegebenenfalls eine Erlaubnis, dass sich die/der InhaberIn von ihrem Wohnort wegbewegen durfte. Die Kriminalisierung von Mobilität für Nichtweiße im Zusammenhang mit der Zwangsumsiedlung von schwarzen Alten und Frauen in abgelegene Wohngebiete mit katastrophaler Infrastruktur hatte schwerwiegende Folgen: Viele hunderttausend Wanderarbeiter, die in den Gold- und Kohleminen schufteten und von weißen Vorarbeitern drangsaliert wurden, konnten nicht mehr mit ihren Familien zusammenleben. Den Ehemann ohne amtliche Erlaubnis zu besuchen wurde zur Straftat. Vor allem aber zementierten die Passgesetze den Ausschluss der schwarzen Bevölkerung aus den weissen Städten. Zudem wurden die Frauen gezwungen, sich pseudotraditionellen Autoritäten in den Homelands zu fügen, sogenannten Chiefs. Diese waren vom Apartheidregime eingesetzt worden.
Beginn einer Frauenbewegung
Auch wenn der Protestmarsch der Frauen weder die Pässe verhindern noch die Homelandpolitik aushebeln konnte – er hat den Einfluss der Frauen in der Widerstandsbewegung gegen das südafrikanische Apartheidsystem vergrößert. Als 1996 die erste demokratische Verfassung in Kraft trat, hatten Aktivistinnen durchgesetzt, dass in dieser Frauenrechte festgeschrieben werden und Frauen als vollwertige Rechtspersonen gelten. Diese Gleichstellung versuchte der Dachverband der Chiefs zu verhindern. Auch einige ANC-Politiker wollten die Chiefs aus politischem Kalkül nicht verprellen. Sie glaubten auf deren Unterstützung bei Kommunalwahlen angewiesen zu sein. Dennoch erreichten die Frauenrechtsaktivistinnen nach zähem Ringen ihre Ziele.
Der nationale Frauentag schafft einen Anlass, um auf das historische Erbe im Kampf gegen die Apartheid zurückzublicken und gleichzeitig eine Bilanz der ANC-Geschlechterpolitik fünfzehn Jahre nach den ersten demokratischen Wahlen zu ziehen. Inwieweit also trägt die offizielle Erinnerungspolitik zu einer realen Verbesserung der Situation von Frauen und zur Geschlechtergerechtigkeit überhaupt bei? Und: Wie ist die Frauenpolitik des seit knapp einhundert Tagen amtierenden Präsidenten und ANC-Chefs Jacob Zuma zu bewerten?
Auf den ersten Blick hat das Land am Kap heute gute Gründe zum Feiern: Seine geschlechtergerechte Verfassung gilt weltweit als vorbildlich. Sie schützt die Rechte von Frauen unabhängig von ihrem familiären Status, was vor allem für Witwen, geschiedene Frauen und Teenagermütter wichtig ist. Auch das Recht auf Gesundheit, der Schutz vor Gewalt, Frauenquoten in politischen Gremien, Genderleitlinien für die öffentliche Verwaltung und geschlechtergerechte Haushaltsplanungen sind beispielhaft.
Dennoch ist die Umsetzung der institutionellen Vorgaben und der Verfassungsgrundlagen eine große Herausforderung, der sich Regierung und staatliche Institutionen nur unzureichend stellen. Zwar wurde das Ehe- und Erbrecht reformiert, aber in der Praxis wird oft gegen Frauenrechte verstoßen. Zahllose Männer nehmen die Reformpolitik der Regierung als Angriff auf ihr maskulines Selbstverständnis wahr und gehen weiterhin mit Gewalt gegen Frauen vor. In den letzten Jahre fehlten Programme, um Männer als Mitstreiter für gesellschaftliche Veränderungen zu gewinnen. Diese jedoch wären notwendig gewesen, um gewaltgeprägte Männlichkeit – ein Erbe der Apartheid – zu überwinden. Man darf ja nicht vergessen: Über Generationen hinweg wurden schwarzer Männer von weißen Vorgesetzten nicht zuletzt in ihrem Selbstverständnis als Mann gedemütigt. Gleichzeitig trug die Militarisierung der gesamten Gesellschaft dazu bei, Gewalt als Mittel der Interessendurchsetzung im Alltag zu verankern.
Massenhafte Vergewaltigungen
Heute ist Südafrika Spitzenreiter in den international vergleichenden Vergewaltigungsstatistiken, wobei nur ganz wenige Fälle strafrechtlich verfolgt werden. Auch die Tatsache, dass zahlreiche Vergewaltigungsopfer mit HIV infiziert werden, führt nicht zu einem Umdenken. Diese bis heute nahezu ungebrochene Kontinuität gewaltgeprägter Männlichkeitsbilder und die daraus resultierende Lebensrealität von Frauen und Mädchen steht in eklatantem Widerspruch zum offiziellen Gedenken an die Leistungen politischer Aktivistinnen und die Bekenntnisse zur Geschlechtergleichheit.
Entsprechend skeptisch bleiben Frauenrechtsaktivistinnen auch in der Frage, inwieweit die neue ANC-Regierung unter Jacob Zuma diese Probleme angeht. Einige ranghoher ANC-Politiker inszenierten sich im Wahlkampf und nach ihrem Wahlsieg mit sexistischen Äußerungen. Auch die Einrichtung eines neuen Frauenministeriums, das gleichzeitig für Jugendliche und Behinderte zuständig ist, sorgt für Irritation. Viel wichtiger als eine neue Behörde zu gründen wäre es ja, die Umsetzung der in der Verfassung verankerten Frauenrechte anzugehen. Der Aufbau einer Parallelstruktur zu bestehenden Institutionen hingegen erinnert an Rückgriffe auf Modelle aus den 1980er-Jahren, die in anderen afrikanischen Ländern Geschlechterhierarchien de facto verstärkt haben.
Viele Südafrikanerinnen sind zu Recht stolz auf ihre Mitwirkung an der Überwindung der Apartheid. Doch für die zahllosen, die nach wie vor in Armut und Gewalt leben, gibt es am Nationalen Frauentag nicht viel zu feiern. Um so beachtlicher sind die Basisinitiativen von Frauen, die Strukturprobleme kritisieren und nicht müde werden, den Schutz vor Gewalt einzufordern. Gerade weil sie die offizielle Erinnerungspolitik und die neue Verfassung als Maßstab für die ANC-Entscheidungsträger anlegen, sind sie die eigentlichen Heldinnen des Tages.
RITA SCHÄFER