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Archiv-Artikel

JEAN PETERS POLITIK VON UNTEN Google auf die Fresse geben

Wie man mit Verschlüsselung, Miniservern und einer Portion Chuzpe das Internet dezentralisieren kann

Kirchenmänner gingen unter Kaiser Karl von Tür zu Tür und hielten Analphabeten Besitzurkunden unter die Nase. Darauf stand, dass das Land, auf dem die armen Bauern wohnen, der Kirche gehöre. Kannste nicht lesen? Pech gehabt. Pacht zahlen und beten! Den Bauern fehlten Bildung, Chuzpe und wahrscheinlich eine mittelgroße Armee, mit der sie sich hätten wehren können.

Nun gibt es das Internet. Lecker klicken, alles schnell und einfach. Also fast. Denn dort heißt die Devise: „Wenn etwas umsonst ist, bist du das Produkt.“ Und die Produzenten vermehren sich. Unsere Daten werden in Massen gesammelt und verkauft, von Unternehmen, Verbrechern und Geheimdiensten. Nichts Neues.

Das Acta-Abkommen gegen Produktpiraterie und Urheberrechtsverletzungen bringt nun die Leute auf die Straße. Fein, fein, aber ist Acta nicht nur ein Symptom einer generellen Verwertungswut?! Das Problem ist doch auch, dass im Netz einzelne Anbieter wie Facebook oder Google mehr Informationen sammeln als andere. Und dann machen sie mit den Daten, was sie wollen. Stalin wäre stolz auf Zuckerberg und Google. Abgesehen von ihrer ökonomistischen Anrüchigkeit.

Denn das Spannende ist dabei, dass es kaum mehr Staaten sind, die gegeneinander antreten, oder Zivilgesellschaften, die sich aufbäumen. Es sind globale Mammutunternehmen, die sich darüber streiten, was für Abkommen die EU nun einführen soll. Und die Protestwellen von Occupy bis zur Jungen Union rufen: „Äh ja, genau! BekACTA Scheiß!“

Aber was wäre, wenn Acta einfach mal eingeführt würde? Nach alter Manier der Verelendungstheorie würde das Proletariat, oder die 99 Prozent, doch zurückschlagen, oder? Wenn’s auch so schön ist: Diesmal bekäme nicht die Kirche eins in die Fresse, sondern Mammutunternehmen! Wir würden endlich anfangen, alle E-Mails und Informationen zu verschlüsseln, die im Moment noch ausgewertet werden. Viele Journalisten und Anwälte machen das bereits jetzt. Dann würden wir uns alle kleine Server nach Hause holen, so groß wie ein Kartenspiel, auf denen die Daten liegen. Nicht mehr bei den großen Servern irgendwo. Wir würden das Internet dezentralisieren.

Das ist alles schon machbar. Pretty Good Privacy heißt das Programm, mit dem Mails verschlüsselt werden, Freedombox heißt der kleine private Server. Und egal ob Pfaffen, Polizei oder Unternehmensanwälte sich einmischen wollen, mit der Technik haben wir die Chuzpe zu schmunzeln. Denn die Daten sind dann wieder unsere. Mit oder ohne Acta.

Der Autor ist Clown und politischer Aktivist Foto: S. Noire