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Archiv-Artikel

Streit um Kreuzberger Kita-Privatisierung

In Kreuzberg soll die Kita am Paul-Lincke-Ufer 12 privatisiert werden. Eltern und Belegschaft kritisieren das Vorgehen des Bezirks. Bezirksrätin Klebba hat sich für einen Träger entschieden, mit dem die Beteiligten nicht einverstanden sind. Der Verein Komșu will die Kinder künftig zweisprachig betreuen

VON LUC CAREGARI

Der Streit um die Privatisierung der Kindertagesstätte am Paul-Lincke-Ufer 12 in Kreuzberg spitzt sich immer mehr zu. Vor allem die vom künftigen Trägerverein Komșu geplante zwei-sprachige Betreuung der Kinder gefällt vielen Eltern nicht.

Das bisherige einsprachige Betreuungskonzept der Kita hat sich nach Angaben der Eltern bewährt und erfüllt die interkulturellen Bedürfnisse des Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg. Im Kita-Masterplan vom Mai 2004 sollte die Kita samt Konzept deshalb auch „definitiv erhalten“ bleiben. In der überarbeiteten Version des Papiers vom Januar 2005 revidieren die gleichen Autoren ihre Meinung drastisch: Da keine Trägerauswahl durch das Team stattgefunden habe, könne die Kita an den deutsch-türkischen Verein Komșu übergeben werden. Der Verein ist schon seit Jahren in Kreuzberg aktiv und betreibt verschiedene Kinderläden – und zwar auf Deutsch und Türkisch.

Eine Begründung für den Sinneswandel gibt es nicht. Lediglich die Weigerung der Belegschaft, mit dem freien Träger Komșu zu arbeiten, sowie die unmittelbare Nachbarschaft des Vereins zur Kita werden angeführt. In der Tat betreibt Komșu seit Ende 2002 den Wasserspielplatz am Paul-Lincke-Ufer 13. Dennoch fühlen sich Eltern und Mitarbeiter übergangen.

So bat die Bezirksstadträtin Sigrid Klebba die Eltern bei einer Podiumsdiskussion im September 2004 um Mitarbeit und Vorschläge, fünf Wochen später aber verhängte sie einen Verhandlungsstopp. Aber wer eine Verhandlung stoppt, muss auch wissen, dass es eine solche gegeben hat. Gerade dies bestreitet Klebba aber. Ihrer Ansicht nach haben sich weder die Eltern noch die Belegschaft auf Trägersuche begeben. Ende Januar erhielt die Kita-Leitung dann vom Bezirk die Information, dass Komșu der neue Träger wird.

In Briefen an den Jugendhilfeausschuss, die Bezirksstadträtin und den Petitionsausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses stellen Eltern und Belegschaft jetzt klar, dass die Trägersuche sehr wohl stattgefunden hat. Es hätte Interessenbekundungen seitens größerer, bundesweit operierender Träger gegeben, heißt es in den Briefen. Dass diese nicht auf Klebbas Schreibtisch landeten, hätte daran gelegen, dass sie keinen Zeitpunkt festgelegt hatte, wann die Anträge einzureichen wären.

Die MitarbeiterInnen haben offenbar auch mit Komșu verhandelt. Die Verhandlungen seien aber gescheitert, da der Verein ihnen nur Teilzeitverträge anbieten kann. Dennoch sind eigentlich alle Beteiligten damit einverstanden, dass die Kita privatisiert wird. Allerdings zeigen sich Eltern und Belegschaft mit dem zweisprachigen Betreuungskonzept von Komșu unzufrieden. Die Eltern hatten sich damals ganz bewusst für das einsprachige Modell der Kita entschieden und dafür lange Wartezeiten in Kauf genommen.

Für Kinder mit Migrationshintergrund ist die Kita der einzige Ort, an dem sie Deutsch lernen können. „Mit ihrer einseitigen Entscheidung konterkariert Frau Klebba unsere Bemühungen um die Integration und den chancengleichen Einstieg in die Schule“, meint Sermin Doganay, Sprecherin des Elternausschusses. Hinzu kommt, dass die Eltern keine zweisprachige Erziehung ihre Kinder in der Kita wünschen. Die einsprachige Erziehung sei eine Bedingung für eine funktionierende multikulturelle Gesellschaft, hieß es.

Gerade diese Gesellschaft versucht aber auch Gerd Ammann, Leiter des neuen Trägervereins Komșu, mit seinem zweisprachigen Betreuungskonzept zu ermöglichen. Allerdings ist er bereit, in der Übergangsphase das einsprachige Konzept der Kita beizubehalten – danach sollen die Kinder auf Deutsch und Türkisch betreut werden.

Genau das sei aber problematisch, meint die Elternsprecherin Doganay. Werden ältere Kinder noch auf Deutsch betreut, würden ihre jüngeren Geschwister durch die zweisprachige Erziehung den Anschluss verlieren. Einige der betroffenen Eltern hätten deswegen ihre Kinder schon umgemeldet.

Für die angegriffene Bezirksstadträtin Klebba ist die Diskussion abgeschlossen. Für sie ist das Ganze ein Kommunikationsproblem. Inwiefern die Entscheidung die Erwartungen der Eltern und die Bedürfnisse der Kinder erfüllen kann, steht auf einem anderen Blatt. Nicht einmal die im Betreuungsvertrag vorgesehenen vier Wochen Umgewöhnung auf die neuen Betreuer werden gewährleistet. Für das gegenseitige Kennenlernen von Betreuern und Kindern sind nur drei Termine vorgesehen, heißt es in dem lang erwarteten Antwortschreiben von Klebba an die Elternschaft.