: Unterm Pflaster liegt der Schwamm
Die Katapult-Redaktion hat 150 inspirierende Ideen für eine bessere Welt gesammelt
Von Ute Scheub
Das Magazin Katapult aus Greifswald ist bekannt für seine originellen Infografiken. Nun hat die Redaktion ein reich bebildertes Buch herausgegeben, das einen „Werkzeugkasten der Zukunft – 150 innovative Ideen für eine bessere Welt“ bietet. Der Titel stimmt zwar nicht so ganz, weil es nicht um Werkzeuge geht, die instrumentell eingesetzt werden, sondern um Initiativen, die Ziele erreichen wollen wie Klima-, Arten- oder Menschenschutz – was viel mehr ist. Dennoch oder gerade deshalb ist das von gut zehn Autor:innen zusammengestellte Werk in hohem Maße inspirierend.
Die acht Kapitel reichen von „Fitte Städte“ über „Erneuerbare Energien ausbauen“ bis zu „Gesellschaft nachhaltig gestalten“ oder „Erdtemperatur stabilisieren“. Gleich das erste Beispiel stellt die niederländische Initiative „Tegelwippen“ vor, was frei übersetzt „Pflastersteine rausholen“ bedeutet. Es geht um einen Entsiegelungswettbewerb zwischen rund 200 Städten und Kommunen mit hohem Spaßfaktor. Seit 2020 sind so über 10 Millionen Pflastersteine aus Parkplätzen und Betonwüsten herausgeholt und neue Grünflächen geschaffen worden. Dort kann nun nach dem „Schwammstadt“-Prinzip Regenwasser versickern, so dass Starkregen und Dürren abgepuffert werden. Die Gemeinde, die am meisten entsiegelt, gewinnt die „Goldene Gießkanne“. Inzwischen gibt es sogar einen Wettbewerb zwischen den Niederlanden und der belgischen Region Flandern. Und einen ähnlichen Wettstreit unter dem Namen „Abpflastern“ zwischen deutschen Vereinen, Schulen, Unternehmen und Privatpersonen.
„Werkzeugkasten der Zukunft – 150 innovative Ideen für eine bessere Welt“. Katapult-Verlag, 191 Seiten, 24 Euro
Und so geht es weiter im Buch: Manches wie „urban gardening“, „ökologischer Landbau“ oder „Mikrokredite“ ist schon länger bekannt, anderes wie das Potenzial von Pyrolyse oder Geothermie noch lange nicht in allen Köpfen. Oder wussten Sie, dass in Saudi-Arabien Kamelkacke pyrolysiert wird, um damit CO2 in Form von Pflanzenkohle in Böden zu speichern und sie damit gleichzeitig fruchtbarer zu machen? Oder dass das Prinzip Fußbodenheizung auch auf Straßen angewendet werden kann? Mittels Erdwärmesonden, Wärmepumpen und wasserführenden Rohrleitungen kann Asphalt im Sommer gekühlt und im Winter aufgewärmt werden; die Straßen halten dadurch länger. Dieses klimafreundliche Prinzip kann man noch erheblich erweitern, wenn man Wohnhäuser, Bürogebäude, Supermärkte und Schwimmbäder an die Rohrleitungen und Speicher anschließt. Oder Rohre unter Agrarflächen verlegt und auf diese Weise sogar Spargel oder Erdbeeren früher ernten kann.
Die Mut machenden Beispiele lassen kleine Fehler verzeihen, die der Redaktion unterlaufen sind. Im Abschnitt „Beaver Bombing“ wird die wunderbare Geschichte geschildert, wie Biber in der tschechischen Region Brdy einen Damm errichtet haben, der ein staatlich finanziertes Renaturierungsprojekt ersetzte und rund 1,27 Millionen Euro einsparte. Falsch daran ist nur der Begriff „Biberbombardierung“ – der bezieht sich auf historische Ereignisse in den USA. Nach dem Zweiten Weltkrieg entschlossen sich die Behörden von Idaho zu einem „Biber-Bombing“: 1948 wurden Tiere per Fallschirm über den Bergen abgeworfen, um die Region feuchter und fruchtbarer zu machen. Auch in Kalifornien wurden zwischen 1923 und 1959 rund 1.200 Biber ausgesetzt. Warum werden nicht auch in Deutschlands Dürreregionen mehr dieser begabten Wasserbauingenieure eingesetzt, die Waldbrände eindämmen und ohne Bezahlung oder Krankenversicherung für den Klima- und Artenschutz arbeiten?
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