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wortwechselBedenkliches Wehrdienst-Fieber bei älteren Herren

Wer will das denn – eine Kriegstombola für das Personal der Aufrüstung? Schon im Frieden restlos überfordert, erschlagen von Bürokratie und Klüngelei. Zeit für zivilen Protest?

Das ging schon 2018: Eine geschickte Soldatin auf der Hindernisbahn im Sanitätsregiment 2 der Bundeswehr in Rennerod Foto: Rainer Unkel/imago

Stolpern vorm Strammstehen: Ein unklares Losverfahren und viele offene Fragen: Bei der Reform des Wehrdiensts zerstreitet sich Schwarz-Rot. Und eine Gruppe bleibt ungehört“,

taz vom 17. 10. 25

War es wirklich „heillos“, dieses tatsächlich unprofessionell gelaufene Streiten um die Wehrdienst-Reform? Darauf klärend hinzuweisen ist natürlich journalistische Pflicht. Angesichts eines uns grundgesetzlich und grundsätzlich umtreibenden Gesetzesvorhabens wäre aber alles andere als eine umfängliche, tiefgreifende und leidenschaftliche Debatte besorgniserregend – und ja, unbedingt unter aktiver Beteiligung der betroffenen „Jugend“, die ihr ja dankenswerterweise ins Boot geholt habt. Keine Frage, dass das Koalitions-Management zunächst erneut versagte. Meine Bitte: Beklagt eurerseits nicht eine solch umfängliche, wenn hier auch in Teilen nicht unbedingt gedeihliche diskursive Auseinandersetzung als „heilloses Zerstreiten“ – ist sie doch und gerade zu dieser Gesetzesvorlage eine unverzichtbare Essenz unserer demokratischen Praxis! Deren entsprechendes mediales Aufpusten, sehr geeignet für parteitaktisches Befeuern, sollte anderen überlassen bleiben. Helga Schulze-Kämper, Bielefeld

Per Los zum Kanonenfutter von Putin? Entweder werden alle zum Wehrdienst eingezogen oder keiner. Es gibt noch das Prinzip der Wehrgerechtigkeit. Auch möglich: Keine Wahlen mehr. Losverfahren für alle Politiker bis hin zum Kanzler! Das wird lustig! Name der Redaktion bekannt

Im Bundestag wird zwar über die Wehrpflicht diskutiert, ob freiwillig oder per Los. Es wird aber nicht die Frage gestellt, ob eine Wehrpflicht noch mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Wehrpflicht bedeutet in jedem Fall ein Aussetzen der Demokratie und ist immer eine autoritäre Machtanwendung des Staates, indem er junge Menschen zwingt, zu potentiellen Mördern zu werden.

Manfred Hoffmann, Naunhof

Kein Mensch sollte durch eine Pflicht gezwungen werden zum Wehrdienst, aber in Zeiten des Aufrufs zur Kriegstüchtigkeit ist die Wehrpflicht wieder in aller Munde. Es sollte diese Wehrpflicht nicht mehr geben, genauso wenig wie das Werben für die Bundeswehr an Schulen, öffentlichen Plätzen oder Einrichtungen, denn der Kriegsdienst ist alles andere, aber mit Sicherheit kein stinknormaler Beruf!

Es ist schon paradox, einerseits können die jungen Menschen teilweise schon mit 16 Jahren wählen gehen und auf der anderen Seite sollen sie wieder gezwungen werden, den Grundwehrdienst aufzunehmen – das ist doch eine Doppelmoral. Anstatt über die Wehrpflicht und Kriegstüchtigkeit zu diskutieren, sollten wir lieber über eine Welt der Friedenstüchtigkeit reden, denn ohne Frieden ist alles Mist!

René Osselmann, Magdeburg

Kommentare taz forum

Ein Los-Verfahren für den Wehrdienst? Davon hatte ich erstmals etwas bei meiner damaligen Recherche zum Vietnam-Krieg gehört und dachte, das wäre ein Witz.

„Streit um Wehrpflicht per Losverfahren: Schwarz-roter Dilettantenstadl“,

taz vom 15. 10. 25

Was denken die Deutschen über die Wehrpflicht? Das habe ich bei merkur.de gefunden: „Während die Gesamtbevölkerung laut Umfragen mehrheitlich für eine Wiedereinführung der Wehrpflicht für Söhne, Töchter und Enkel ist, zeigt sich vor allem bei Frauen ein anderes Bild: Eine Ipsos-Umfrage vom Juli 2025 ergab, dass nur ein Drittel der weiblichen Befragten (33 Prozent) eine Wehrpflicht für beide Geschlechter befürwortet. Besonders drastisch wird die Ablehnung bei der Frage nach der Verteidigungsbereitschaft: 72 Prozent der Frauen sagten in einer Forsa-Umfrage klar „Nein“ auf die Frage, ob sie Deutschland mit der Waffe verteidigen würden, wie das rbb-Inforadio kürzlich berichtete.“

Glückspiel ist nicht ohne Sinn. Hier werden Nieten zum Gewinn.

Warum wird Pistorius so mit Samthandschuhen angefasst?

Obwohl sein Ministerium mit Geld zugeschüttet wird, hat sich fast nichts verändert. Die Geldvernichtungsmaschine des Bundeswehr-Beschaffungsamtes wurde null reformiert und verbrennt weiterhin Milliarden in der Verwaltung. Jetzt werden wieder Jahre verplempert, bis man zugibt, dass die Freiwilligkeit für den Wehrdienst gescheitert ist?

Die einzig richtige Wehrpflichtreform wäre ein geschlechterübergreifender Pflichtdienst, dabei wie früher wählbar zwischen Sozial- oder Militärdienst.

Meine Güte! Haben CDU/CSU eigentlich überhaupt keine Ahnung, wie man Menschen zu irgendwas motiviert? Bürgergeldempfänger de facto mit Hunger und Obdachlosigkeit zu bedrohen, hat ganz sicher auch keinen motivierenden Charakter, sondern genau wie bei der Wehrpflicht, lediglich Zwangscharakter.

Die logische Steigerung von alternativlos ist Los“, taz vom 18. 10. 25

Wenn Pistorius ein Los-Verfahren wie in Schweden will, dann müsste er erst mal das Ansehen des Wehrdienstes pushen.

Ein Los-Treffer sollte ein Gewinn für den Ausgelosten sein, etwas, das andere nicht machen können oder dürfen.

Was ist denn der „Demokratiegedanke“, gegen den eine „aufdiktierte Pflicht“ generell verstößt?

Warum etwa sollte ein Arbeitgeber sich an die Sozialversicherungspflicht für seine Mitarbeiter halten, wenn aufdiktierte Pflichten generell undemokratisch sind? Ein Rechtsstaat funktioniert nur, wenn die Rechte auch mit Pflichten verbunden sind.

In der Demokratie im alten Athen durften gerade mal 10 bis 20 Prozent der Bevölkerung mitbestimmen – nämlich die in Athen geborenen Männer, die ihre Wehrpflicht absolviert hatten.

Frauen, Sklaven und nicht in Athen von „athenischen“ Eltern Geborene hatten keine Mitwirkungsrechte. Daran nun sollte man sich heutzutage vielleicht nicht unbedingt orientieren.

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