: Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?
Müntes Heuschrecken sollten eigentlich Kannibalen heißen. Und die NRW-Grünen plakatieren in NRW „Schwarzgelb – nein danke“. In Dortmund und Aachen müsste das für unter fünf Prozent reichen
taz: Was war schlecht in der letzten Woche?
Friedrich Küppersbusch: Kapitalistenkritik und Begriff „Heuschrecken“.
Was wird besser in dieser?
Kapitalismuskritik und Begriff „Kannibalen“.
Erinnerung an das Kriegsende und kein Ende. Es gab Demonstrationen in Berlin, eine Ansprache des Bundespräsidenten, Volksfeste und Debatten. Ist das eine erfreulicher Beweis, dass die Gesellschaft die Lektion der Geschichte gelernt hat – oder hat das Züge einer Obsession?
Die „verspätete Nation“ Deutschland bezog ihre Zersplitterung und antidemokratische Fürstentümelei aus dem 30-jährigen Krieg. Der Größenwahn Kaiser Wilhelms und Adolf Hitlers stand am Ende einer über 300-jährigen Traumatisierung. Kann mir mal jemand erklären, wie man nach 60 Jahren – vergleichsweise ein Wimpernschlag – mit einer Jahrtausendkatastrophe fertig sein möchte? Das ist die gute alte Verdrängung im trendy look des „Es muss auch mal genug sein“. Über Formen und Auswüchse kann man sich mokieren, aber Teile der eigenen Identität abzulehnen, ist immer noch der krankheitsförderndste Umgang mit sich selbst.
Heute wird Schröder in Moskau an der Seite Putins stehen. Litauer und Esten boykottieren die Veranstaltung, weil nur der Befreiung und nicht der sowjetischen Unterdrückung gedacht wird. Muss Schröder dazu etwas sagen?
„Wladi, alte Koralle – moralisch halt ich mal schön den Mund, aber ist dir eigentlich klar, dass wir ein Schweinegeld verdienen, seit wir uns einigermaßen benehmen weltweit?“
Ist unser Geschichtsbild, wie manche meinen, zu fixiert auf den Holocaust? Müssen wir es antitotalitär umbauen?
Klar, wir machen ’ne Zeitreise zurück und wählen Hitler ab. Gute Idee. Allerdings: Bismarck und die Hohenzollern lediglich als Wegmarken zu Hitler zu betrachten – wenn überhaupt –, greift zu kurz. Dass wir vor ’33 keinen bürgerlichen Parlamentarismus hinbekommen haben, ist Indiz für das Fehlen oder Versagen einer wohlverstandenen nationalen Elite. Schlimmes Wort, hm? Na siehste.
Endlich wird das Holocaust-Mahnmal eingeweiht. Schröder wünschte sich ein Mahnmal, wo man gern hingeht. Ist es das geworden und ist das schlimm?
Ist mir vollkommen wurscht. Als mir Verwandte erzählten, wo um die Ecke der jüdische Laden leer geräumt wurde, welche ihrer Schulkameraden verschwanden, wurde mir die Gnade der frühen Geburt zuteil. Dagegen ist jedes Denkmal eine abstrakte Entfremdung. Nun aber reißt diese Nabelschnur, und die nächsten Generationen werden beurteilen müssen, ob das Denkmal taugt.
Am Donnerstag passiert schon wieder was Historisches – aber mal zur Abwechslung in Sachen Zukunft. Der Bundestag beschließt die EU-Verfassung. Kennen Sie die? Oder kennen Sie jemand, der sie kennt?
Kaum.
Warum ist Deutschland anders als Frankreich in Bezug auf die EU-Verfassung so schläfrig?
Auch so eine 60-jährige Angewohnheit: dass die anderen schon wissen werden, was gut für uns ist.
Blair hat knapp die Wahlen gewonnen. Ist das ein Hoffnungsschimmer für Schröder? Kann er sich was von Blair abgucken?
Nein, er kann Wahlen nicht so freihändig an Umfragehochs orientiert ansetzen wie Blair. Und die Torys hatten beim Kernthema Irakkrieg keine Alternative zu bieten. Schröder hingegen wird die Union nicht dazu bekommen, ehrlich zuzugeben, dass sie an den fünf Millionen Arbeitslosen auch nichts machen kann.
Müntefering hat ein Vier-Punkte-Programm zwecks Bändigung des Kapitals vorgestellt – und nach ein paar Stunden wieder begraben. Kann man Münte noch ernst nehmen?
Einer der talentiertesten Oppositionsführer, die je noch mitregiert haben.
Und was macht Borussia Dortmund?
Staunt über den beherzten Selbstmordversuch der Landes-Grünen, überall „Schwarzgelb – nein danke“ zu plakatieren. Müsste in Dortmund und Aachen für unter fünf Prozent reichen.