: Auf allen Höhen der Diskurse
Mit Thomas Meinecke wählten sich die niedersächsischen Literaturbüros einen Pop-versierten Autor zum Stipendiaten
Einen neuen Preis haben die sechs niedersächsischen Literaturbüros seit diesem Jahr im Programm: Sechs Monate wollen sie einen verdienten Schriftsteller fördern. Der liest dann jeden Monat in einer anderen niedersächsischen Stadt und verfasst im Internet ein öffentliches Tagebuch, die „Netznotizen eines Zeitgenossen“. Erster Preisträger ist Thomas Meinecke.
In Hamburg geboren und groß geworden, lebt der Musiker, DJ und Autor seit langem in einem kleinen bayrischen Dorf. Sein aktueller, mittlerweile vierter Roman „Musik“ erschien im vergangenen Jahr bei Suhrkamp.
Wieder zeigt sich Meinecke hier als Meister der Verknüpfung der unglaublichsten Diskurse: Er verbindet Anekdoten von Country-Ikone Dolly Parton, König Ludwig II. und der afroamerikanischen R&B-Sängerin Tweet mit den Theorien zur Geschlechteridentität der Philosophin Judith Butler. Die Grenze zwischen Roman und wissenschaftlichem Aufsatz verschwimmt.
Bekannt wurde Meinecke als Musiker bei der Band FSK. Als er 1977 zum Studium nach München ging, kam gerade Punk um die Ecke. Mit Kommilitonen gründete er die Literaturzeitschrift Mode und Verzweiflung, aus der die Band hervorging. Die Band avancierte zum Liebling des britischen Radiogurus John Peel, sie begab sich in den USA auf die Spuren deutscher Emigranten, und entdeckte – immer bereit zu Hakenschlägen – Mitte der 90er Techno und House.
Seinen ersten Band mit Kurzgeschichten veröffentlichte Thomas Meinecke 1986. Erst 1996 folgte sein erster Roman, „The Church of John F. Kennedy“. Anfang dieses Jahres veröffentlichte er mit zwei Altersgenossen, dem Schriftsteller Frank Witzel und dem Radio-DJ Klaus Walter, das Gesprächsbuch „Plattenspieler“, in denen sie ihre anhaltende Leidenschaft für Popmusik und -kultur bekunden.
Sechs Monate in Ruhe an einem abgelegenen Örtchen arbeiten zu können, das soll das Stipendium der niedersächsischen Literaturbüros ermöglichen. Meinecke kann also von zu Hause aus arbeiten. Er bekommt jeden Monat die Tageszeitungen von dem Ort zugeschickt, in dem er dann lesen wird.
So kann er sich auf die jeweiligen Gegebenheiten vor Ort einstimmen. Dem Vielreisenden kommt das gerade recht: „Ich bin so viel unterwegs, auch meine Frau Michaela, und das ist für uns logistisch schon schwierig, das zu organisieren. Auch mit unserer Tochter. Also bin ich froh, dass ich das zu Haus machen kann, im Netz. Und dann in die Orte fahren kann, wo ich natürlich auch gern bin, aber eben nur punktuell.“
In Hildesheim wird Meinecke dann beim Prosanova-Literaturfestival vom 26. bis 29. Mai auch noch in der Jury sitzen. Das von der Literaturzeitschrift Bella Triste organisierte Event dreht sich um junge Autoren und kreatives Schreiben. Im umfangreichen Rahmenprogramm wird Meinecke dazu bei einer Podiumsdiskussion zum Thema Literatur und Politik und als DJ antreten. Barbara Mürdter