Mazda Mehrgan: Vaterland
Du bist kein Vaterland! Ein Knoten nur im Halse
Die Hölle? Nein, du bringst uns Frauen bloß den Tod!
Und tausend Kinder sind in deinem Arm verhungert
Du bist kein Zufluchtsort, nur Sorge um das täglich Brot
Nie warst du Heimat mir, nur eine offne Wunde
Voll Salz; ich pflanzte dich mir zwischen meine Brüste
Du wuchst heran, ein Dornbusch ist aus dir geworden
Ich brachte dich ins Nichts, die Fremde, eine Wüste
Und deine Wurzeln reichen an Arterien statt
Und statt der Venen bis zum Herz, das nicht mehr schlägt
Den letzten Tropfen Rot saugst du mir aus den Adern
Du Heuchler, gibst mir Gift und Säure unentwegt
Nein! Du bist eine Mutter, die dem Kind statt Milch
Und Liebe Qualen gibt, das Gift der Schlangenbrut
Ein Vater bist du, der verweigert Speis und Trank
Ein Vater, welcher für sein Kind nur Opiumsud …
Als Vater hast du mich missbraucht, nie kam ich los
Von der Erinnrung an zwei Hände und das Leid
Verloren hab ich Leib und Seele, die Gewalt
Belastet mich nun bis in alle Ewigkeit
Totaler Gott, hier ist sie, deine ewge Hölle
Ich bin ein Kind vom Land der Sorgen und der Qual
Schon seit Jahrhunderten verkündest du nur Lügen
Was ist dein Paradies? Das tiefste Jammertal!
Ich bin ein Kind vom Land der Sorgen und der Qual
Gebrochen bin ich und mit zwanzig schon uralt
Aus dem afghanischen Persisch von Kurt Scharf
im Rahmen des Projekts Weiter Schreiben

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