1.252 Tage Krieg in der Ukraine: Ein Ort, wo Träume wahr werden
In einer inklusiven Bäckerei erfüllt sich Mykyta Dunaew, ein junger Mann mit Behinderung, einen Traum. Er arbeitet als Konditor und gibt Meisterkurse.

F astiw ist eine ukrainische Kleinstadt unweit von Kyjiw. Obwohl sie nicht an der Front liegt, schlagen Raketen und Drohnen aus Russland auch hier ein. Unter solchen Bedingungen ist es schwer, sich eine Zukunft aufzubauen. Das gilt besonders für einen jungen Menschen mit Downsyndrom, der nicht nur davon träumt zu leben, sondern auch zu arbeiten und sich weiterzuentwickeln.
In der Ukraine ist Inklusion kein inhaltsloses Gerede – es gibt schon konkrete Projekte. Doch der Weg zur Selbstverwirklichung für Menschen mit Behinderungen erfordert weiterhin Unterstützung, vor allem in kleinen Gemeinden und während des Krieges.
Nichtsdestotrotz ist für Mykyta Dunaew bislang alles gut gelaufen. Es gab Menschen in seinem Umfeld, die an ihn geglaubt haben. Er ist Messdiener in der örtlichen griechisch-katholischen Kirche. Hier fühlt er sich geborgen und gebraucht – in einer Welt, in der er so akzeptiert wird, wie er ist.
Heute geht es ihm gut, doch das war nicht immer so. Seine Mutter zieht Mykyta und seine jüngere Schwester allein groß. Als vor einigen Jahren ein Feuer ihr Haus zerstört, bricht alles zusammen. Doch das scheint nur so. Die Gemeinde von Pfarrer Witali hilft der Familie beim Wiederaufbau ihres Hauses. So beginnt eine besondere Freundschaft zwischen dem Pfarrer und Mykyta. Witali erblickt in dem „sonnigen Jungen“ ein Licht und den Wunsch, gebraucht zu werden. Er erhört Mykytas Traum: Konditor zu werden.
Andere begeistern
Die Mutter sagt Mykyta immer: „Du schaffst das!“ – und er schafft es. Er schließt eine Ausbildung mit einem Konditordiplom ab. Aber es ist eine Sache zu lernen, jedoch eine ganz andere, einen Job zu finden und ein vollwertiger Teil der Gesellschaft zu werden.
Pfarrer Witali beginnt darüber nachzudenken, wie er Mykyta helfen könnte. So entsteht die Idee einer inklusiven Bäckerei, in der sein Schützling arbeiten und auch andere begeistern kann. Die Caritas, Stifter, lokale Unternehmen und Freunde der Gemeinde unterstützen das Projekt. Die Bäckerei bekommt den Namen „Korshik“ (Fladen). Doch im Februar 2022 ist vorerst Schluss, Russlands umfänglicher Angriffskrieg gegen die Ukraine beginnt.
Mykyta wartet ein Jahr lang. Er verliert nicht den Glauben und fragt immer wieder: „Wann eröffnet die Bäckerei?“ Im April 2023 ist es soweit: Eine kleine Bäckerei mit großem Herzen, in der Kekse gebacken werden und Gutes geteilt wird, legt los.
Familien mit Kindern, die ebenfalls besondere Bedürfnisse haben, kommen gerne hierher. Für sie ist Mykyta wie ein Leuchtturm: Er gibt Meisterkurse, entwickelt einzigartige Rezepte und teilt seine Ideen.
Ein Lächeln
In der Küche wird er von der professionellen Konditorin Natalia unterstützt und von Switlana, einer Vertriebenen aus dem Donbass. Gemeinsam machen sie „Korshik“ zu einem Ort, an dem Träume wahr werden.
Dieser Artikel wurde möglich durch die finanzielle Unterstützung des Recherchefonds Ausland e.V. Sie können den Recherchefonds durch eine Spende oder Mitgliedschaft fördern.
Heute ist „Korzhik“ nicht nur eine Bäckerei, sondern ein Ort der Selbstverwirklichung und des Selbstvertrauens. Geplant ist ein Umzug in das Erdgeschoss des Gebäudes, um den Ort barrierefrei zu gestalten und noch mehr Menschen, vor allem mit Behinderungen, willkommen heißen zu können. „Ich bin so glücklich, dass ich arbeiten, Kekse backen, Geld verdienen und meiner Mutter helfen kann“, sagt Mykyta. Er lächelt.
Aus dem Russischen Barbara Oertel
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