piwik no script img

Treffen in BerlinMerz und Macron wollen Rüstungsstreit bis Ende August lösen

Der Kanzler und der Frankreichs Präsident versuchen, den Streit um das Kampfflugzeug FCAS zu entschärfen. Beide sind für einen Gaza-Waffenstillstand.

Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU, r.) und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron in der Bibliothek der Villa Borsig Foto: John Macdougall/AFP-Pool/dpa

Berlin dpa | Bundeskanzler Friedrich Merz und der französische Präsident Emmanuel Macron wollen den Streit über die gemeinsame Entwicklung des Luftkampfsystems FCAS bis Ende August beilegen. Bei ihrem Treffen in Berlin beauftragten sie ihre Verteidigungsminister damit, bis dann „eine realistische Perspektive über die weitere Zusammenarbeit im FCAS-Konsortium zu evaluieren und Vorschläge für die Beilegung bestehender Konflikte zu unterbreiten“, wie der deutsche Regierungssprecher Stefan Kornelius nach den mehr als dreistündigen Beratungen bei einem Abendessen in der Villa Borsig am Tegeler See mitteilte.

Die deutsche Erwartung sei, dass sich das französische Unternehmen Dassault „an die bestehenden Vereinbarungen hält“. Danach sollen Dassault, Airbus Deutschland und das spanische Unternehmen Indra jeweils zu einem Drittel an dem Projekt beteiligt werden. Berichten zufolge strebt Dassault nun aber 80 Prozent an, was für Deutschland nicht infrage kommt.

Am 28. und 29. August findet eine gemeinsame Kabinettssitzung der beiden Regierungen im südfranzösischen Toulon statt. Bis dann soll der Streit beigelegt sein. Das Luftkampfsystem FCAS soll von 2040 an einsatzfähig sein und den Kampfjet Eurofighter ablösen. Es soll im Verbund mit unbewaffneten und bewaffneten Drohnen fliegen und ist insofern mehr als ein Kampfflugzeug. Die Gesamtkosten von FCAS werden auf einen dreistelligen Milliardenbetrag geschätzt.

Merz und Macron zeigen Instrumente im Zollstreit

Im Zollstreit mit den USA zeigten sich Merz und Macron entschlossen, mit Gegenmaßnahmen auf mögliche US-Zölle zu reagieren. „Die beiden Seiten sind sich einig, dass sie sich weitere handelspolitische Instrumente vorbehalten sollten, sollten die Verhandlungen nicht zu einem Erfolg führen“, sagte Kornelius. Man sei auch bereit, „neue Maßnahmen zu entwickeln“.

Die USA wollen zum 1. August Zölle von 30 Prozent auf EU-Waren erheben. Derzeit laufen Verhandlungen mit der EU, um das mit einem Handelsdeal noch zu verhindern. Vor dem Treffen hatte Merz noch angedeutet, dass es zu einer schnellen Einigung kommen könnte. Man werde unter anderem über die „aktuelle Handelspolitik“ beraten, „zu der wir in diesen Minuten hören, dass es möglicherweise Entscheidungen geben könnte“, sagte er. Davon war nach dem Treffen keine Rede mehr.

Forderung nach Waffenstillstand im Gaza-Krieg

Merz und Macron zeigten sich besorgt über die Situation im Gazastreifen und appellierten an die israelische Regierung, „einen Waffenstillstand sofort einzuleiten und humanitäre Maßnahmen in unmittelbarer Nähe zu ergreifen“, wie Kornelius sagte. Frankreich hat zuletzt den Appell von 28 Staaten zur Beendigung des Gaza-Krieges unterzeichnet, dem Deutschland sich nicht angeschlossen hat.

Gespräche mit Selenskyj über Korruptionsbekämpfung geplant

In dem „sehr vertrauensvollen“ Gespräch habe es auch eine „lange und intensive Debatte“ zu der Lage in der Ukraine gegeben, bei der es nicht nur um militärische Unterstützung, sondern auch um die innenpolitische Lage gegangen sei, sagte Kornelius. Parlamentsbeschlüsse zur Beschränkung der Korruptionsbekämpfung hatten in mehreren Großstädten der Ukraine zu Protesten geführt. Macron und Merz wollten mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj darüber reden, hieß es – auch mit Blick auf die EU-Ambitionen der Ukraine.

Erster Deutschlandbesuch seit dem Regierungswechsel

Es war der erste Deutschlandbesuch Macrons seit dem Regierungswechsel in Deutschland am 6. Mai. Am Tag nach seiner Wahl zum Kanzler war der CDU-Politiker Merz nach Paris aufgebrochen, um zusammen mit Macron einen „Neustart“ in den unter seinem Vorgänger Olaf Scholz (SPD) deutlich abgekühlten deutsch-französischen Beziehungen einzuläuten. Daran wollen beide nun weiter arbeiten und ihre Zusammenarbeit auf allen Ebenen vertiefen.

„Wir stehen auf dem Fundament einer über Jahrzehnte gewachsenen engen deutsch-französischen Freundschaft. Und wir beide empfinden dies als eine große Verpflichtung, daran auch in den nächsten Jahren weiterzuarbeiten“, sagte der Kanzler vor dem Gespräch.

Tomatensalat, Meeresfrüchte und Kalbsrücken

Das Treffen fand in einer Villa am Tegeler See statt, die einst der Industriellenfamilie Borsig gehörte und heute Gästehaus des Auswärtigen Amts ist. Merz ließ seinem Gast dort Tomatensalat, Helgoländer Meeresfrüchte mit Blumenkohl und Bohnenkernen sowie Kalbsrücken mit Sommergemüse, Pfifferlingen und Gnocchi servieren. Damit setzte er sich auch kulinarisch von seinem Vorgänger Scholz ab. Der hatte im Oktober 2023 versucht, Macron bei einem Besuch in seiner Heimatstadt Hamburg mit einem Fischbrötchen zu begeistern – vergeblich.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!