: Kunsthalle im Retro-Look
VIRTUELLE KUNST Während der Bauphase bietet die Bremer Kunsthalle im Internet jetzt einen Rundgang durch ihre alten Räumlichkeiten an
Zusätzlich zum virtuellen Rundgang in der alten Kunsthalle gibt es im Internet jetzt auch stets das Allerneueste zum Erweiterungsbau online zu sehen.
■ Unter www.kunsthalle-bremen.de finden sich für geneigte Baustellen-LiebhaberInnen gleich drei Webcams, die immerhin alle zwei Minuten ein neues Bild liefern – je eines vom künftigen Ost- und Westflügel. Dazu eine Perspektive von oben, aus dem Kran, auf den Neubau im Westen.
■ Mangels bewegter Bilder kann man den Bauarbeitern aber nicht direkt beim Arbeiten zusehen.
Nein, sagt Kunsthallen-Direktor Wulf Herzogenrath – der virtuelle Rundgang ist nicht nur ein Angebot an Nostalgiker. Auch wenn das, was da jetzt im Internet zu sehen ist, in dieser Form nie wieder kommt. Aus gutem Grund: Schließlich bekommt die Kunsthalle derzeit für 30 Millionen Euro einen Anbau im Osten wie im Westen. Weil der mit seiner um fast 1.000 auf rund 5.000 Quadratmeter erweiterten Ausstellungsfläche aber erst im Frühjahr 2011 eröffnet wird, hat die Kunsthalle so lange ihr bisherige Hängung, ihre alten Räumlichkeiten konserviert – auf ihrer Website www.kunsthalle-bremen.de.
Acht Monate haben sie an dem kostenlosen Internet-Angebot gearbeitet, dafür eine – nicht näher benannte – fünfstellige Summe aufgewendet. Ursprünglich sollte der Online-Besuch bereits im Februar möglich sein. Doch die Kunsthalle Bremen wollte ein professionelles Angebot machen, das auch in der deutschen Museumslandschaft seinesgleichen sucht. Und das dauerte. Virtuelle Rundgänge gibt es heutzutage schließlich in einigen Museen, auch wenn die Kunsthalle findet, dass der ihre – bedingt durch den mehrjährigen Umbau – „eine besondere Berechtigung“ hat.
Und so kann man jetzt nicht nur, ähnlich wie auch in vielen Computerspielen, in einem ruckelfreien 360°-Rundumblick durch die ehrwürdigen Hallen gehen und dabei in allen Geschossen und Sammlungsräumen dies und jenes heranzoomen. Es gibt zudem kurze Begleittexte in internetfreundlicher Länge, aber auch ausführliche Beschreibungen, die sogar als Download zur Verfügung stehen. Für 72 ausgewählte Kunstwerke gibt es ferner detaillierte Erklärstücke, die man mitunter sogar anhören und downloaden kann, auch werden in vielen Fällen alternativ kindgerechte Textvarianten angeboten. Eine Zoom-Funktion erlaubt, was beim Original jeder Wärter streng verbietet: Ganz, ganz nah heranzugehen – um jene Details zu erkunden, die mit bloßem Auge sonst, wenn überhaupt, nur schwer zu erkennen sind.
Und auch daran, dass virtuelle Museumsbesuche eher unkommunikativ sind, hat man gedacht. Der „Kunst Club Bremen“ hat 13 Videos produziert, in denen Jugendliche zu Wort kommen und assoziativ ihre Eindrücke zur Kunst wiedergeben. „Ich weiß nicht, ob ich das jetzt gut oder schlecht finde“, sagt einer am Ende über die raumfüllende John Cage-Klanginstallation, aber es gebe ihm irgendwas. Und auf jeden Fall, sagt er, ist es „äußert flashig“. JAN ZIER