: In den Augen glimmt Begeisterung
AFTER OASIS Ein unaufgeregter Noel Gallagher lieferte in der Max-Schmeling-Halle am Freitag Abend 90 Minuten Qualität ab
Er hat den Bewegungsradius einer Stehlampe. Gut, das hat mal jemand über einen lauffaulen Fussballer gesagt, aber irgendwie passt der Satz hervorragend zu Noel Gallagher. Wenn man sich den Briten anschaut, wie er gemächlich über die Bühne der gut gefüllten Max-Schmeling-Halle schlurft, sich ein paar Minuten nimmt, um die Gitarre zu stimmen, weiß man, dass es in erster Line um die (neuen) Songs geht. Nicht um die Performance, nicht ums Frontmann-Sein und auch nicht um irgendein ideologisches Geplapper jenseits der Akkorde.
Um Oasis ging es dennoch am vergangenen Freitagabend. Auch weil es die Band seit nun zweieinhalb Jahren nicht mehr gibt. Zumindest eröffnet Gallagher das Konzert mit der schönen B-Seite „It‘s Good To Be Free“, die noch aus einer Zeit stammt, als der Brite sein Schreibtalent inflationär über Singles und Alben verteilte – in der Gewissheit damit nicht haushalten zu müssen. Er weiß, dass die vielleicht 4000 Fans in Berlin da sind, weil sie wieder eine Dosis wollen von dem, was sein divenhafter Bruder Liam 2009 beendete.
Schaut man für einen Moment ins Publikum, sieht man in vielen Augen einen fanatischen Begeisterungsfunken. Die Hoffnung, dass sie kommen, die Songs dank derer man über die 90er Jahre musikalisch dann doch mit ehrlichem Stolz sprechen kann. Vorab dominiert die Setlist aber erstmal die Soloplatte „Noel Gallagher‘s High Flying Birds“. Das Ende 2011 erschienene Album zeigt, was Gallagher am besten kann: Qualität abliefern. Seit jeher war das live beeindruckend.
Songs wie „If I Had a Gun“ und der druckvolle Kracher „Aka...What a LIFE!“, der Manchester-Rave-Elemente in eingängigen hymnischen Pop gießt, treffen jenen unverwechselbaren Ton, der auf den letzten Oasis-Veröffentlichungen zu kurz kam. Ansonsten wabbert hier und da ein Echo der Kings durch die sich langsam aufheizende Schmeling-Halle. Dann zieht der Leadsänger seine Jacke aus und vernuschelt einen Abendgruß an die Anwesenden. Dem Klassiker „Supersonic“ geht ein wenig die Puste aus, weil die Version arg ruhig rüberkommt, was der einst punkig angehauchten Nummer aber auch gut tut.
Währenddessen flackert die LED-Wand im Bühnenhintergrund bunt und munter und die Vorstellung der Bandmitglieder wird auch schnell noch abgehakt. Erwähnenswert sind Schlagzeuger und Keyboarder: der eine sitzt Gallagher ungewöhnlich druckvoll im Nacken, der andere setzt perfekt ausgesteuert seine Stiche ins harmonisch-glatte Abendprogramm.
Dann ist Schluss mit dem Neuen, und Augenpaare glühen, denn die Zugabe gehört der Vergangenheit. Am Ende singen alle donnernd mit der Faust in der Luft „Don‘t Look Back in Anger“. Jemand sagt: „Nur für die vier Minuten hat es sich gelohnt.“ Alle hat der unaufgeregte Mann aus Manchester angesteckt. Er tritt ein paar Schritte zurück und hört zu. Noel Gallagher tut einfach das, was Stehlampen eben so tun: er leuchtet. JAN SCHEPER