Fotografen der identitären Bewegung: Ins rechte Licht gerückt
Das sächsische „Filmkunstkollektiv“ kümmert sich um die Inszenierung der identitären Szene und drehte zuletzt gar eine Höcke-Doku. Wer steckt dahinter?
Wochenlang hatte die Identitäre Bewegung für Samstag, den 26. Juli mobilisiert. Rechtsextreme aus mehreren Ländern reisten nach Wien, um die asylfeindliche Demonstration zu unterstützen. All das half nichts: Lediglich 250 bis 300 Menschen nahmen an der Versammlung teil. Um die Demonstration dennoch als Erfolg zu verkaufen, ist ein gutes Marketing in den sozialen Netzwerken nötig. Dafür waren gleich mehrere Fotograf:innen zuständig, die die Demonstration mit ihren Kameras in Szene setzten.
Wer die kämpferischen Fotos anschaut, die in den Stunden nach der Demonstration im Netz veröffentlicht wurden, gewinnt den Eindruck: Die mediale Inszenierung ist der einzige Sinn und Zweck der Versammlung. Aber wer macht die Fotos?
Verantwortlich ist das Filmkunstkollektiv. „Wir dienen dem Widerstand aus vollem Herzen“, erklärt der Verein im Netz. Man halte die „ästhetischen Bilder“ und die „schönen Momente“ des „Widerstandes“ fest. In seiner Satzung hingegen behauptet er, es gehe um die „Förderung von Kunst und Kultur“ und die „Förderung internationaler Gesinnung, der Toleranz auf allen Gebieten der Kultur und des Völkerverständigungsgedankens“. Die Worte klingen fast diplomatisch und ehrenwert.
Aber das ist Fassade. Unter den Gründungsmitgliedern des Filmkunstkollektivs ist Dirk Nahrath. Die Familie Nahrath ist seit Jahrzehnten in der Neonazi-Szene aktiv. Sie hat die neonazistische Wiking-Jugend angeführt, die 1952 gegründet und 1994 durch das Bundesinnenministerium verboten wurde. Wolfgang Nahrath (1929–2003) und Sohn Wolfram waren „Bundesführer“, Sohn Dirk war „Gauführer“ in Franken. Nach dem Verbot soll Dirk mit seiner Familie die „Einheit Franken“ der Heimattreuen Deutschen Jugend (HDJ) geleitet haben. 2009 wurde die HDJ, wie bereits die Wiking-Jugend, aufgrund ihrer „Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus“ verboten.
Erster Vorsitzender des Filmkunstkollektivs ist Simon Kaupert. Einst organisierte er die Wügida-Proteste („Würzburg gegen die Islamisierung des Abendlandes“) in Bayern. 2016 begann er seine Arbeit im rechtsextremen Verein Ein Prozent. Seither ist Kaupert als Filmer in der extremen Rechten tätig. Zweiter Vorsitzender ist Torsten Görke. Der gelernte Wirtschaftsinformatiker ist Geschäftsführer mehrerer Unternehmen. Zum Beispiel leitet er die Uudet Brandshipping UG. Der Name des Unternehmens taucht im Impressum eines Onlinehändlers auf, der Björn-Höcke-Fischerhüte und Junge-Alternative-Bierdeckel im Sortiment hat.
Görke ist seit Langem in der Identitären Bewegung aktiv. Mit Paul Klemm führt er den Verein GenerationID aus dem Identitären-Netzwerk an. Auch Klemm sitzt im Vorstand des Filmkunstkollektivs. Auf der Webseite schreibt der Verein, er sei „unser Bindeglied zu alternativen Medien“. Schließlich ist Klemm der Leiter von Compact-TV. Als das Bundesverwaltungsgericht vor kurzem das Verbot des Compact-Magazins in Leipzig aufhob, war das Filmkunstkollektiv vor Ort. Ziel war es, den Sieg der Rechtsextremen fotografisch zu inszenieren. „Die Pressefreiheit hat gesiegt“, kommentierte der Verein seine Fotos in den sozialen Netzwerken.
Fotograf vor Gericht
„Micha ist unsere Photo-Speerspitze im Süden“, verkündet das Filmkunstkollektiv im Netz. Micha, also Michael Seibold, ist der erste Vorsitzende des Bürgernetzwerks Süd. Der Name klingt unverdächtig. Aber: Das Bürgernetzwerk Süd ist ein Tarnverein von Reconquista21, so heißen die Identitären im Südwesten. Die extreme Rechte nutzt Tarnvereine in der Regel, um Räumlichkeiten anmieten zu können.
Neben Seibold ist Jannis George im Filmkunstkollektiv. George war Mitte 2023 an einer Aktion der Wackren Schwaben (heute Reconquista21) in Stuttgart beteiligt. Damals waren Vermummte auf das Kassenhaus eines Freibades geklettert, um Banner („Remigration für sichere Freibäder“) zu hissen und Parolen („Unsere Straßen, unser Land, Jugend leistet Widerstand“) zu rufen. Wenig später verbreiteten die Wackren Schwaben ein Foto der Aktion in den sozialen Netzwerken.
Im Sommer 2024 stand George vor dem Amtsgericht Bad Cannstatt. Die Anklagepunkte: Volksverhetzung, Hausfriedensbruch, Verstoß gegen das Vermummungsverbot. Das noch nicht rechtskräftige Urteil: sechs Monate auf Bewährung.
Das Filmkunstkollektiv behauptet, „politisch, personell und finanziell unabhängig von Gruppierungen, Verbänden oder Parteien“ zu sein. Doch das ist äußerst fraglich. 2024 begleitete der Verein den Landeskongress der Jungen Alternative (JA) in Baden-Württemberg. Im Rahmen jenes Kongresses wurde mit Jannis George einer seiner Aktivisten in den Vorstand der JA gewählt. Zudem begleitete das Filmkunstkollektiv den AfD-Landtagswahlkampf in Thüringen.
Für diesen präsentierte der Verein eine Reportage über den AfD-Politiker Björn Höcke. In der Beschreibung schwärmen die Aktivist:innen, man habe das „unfassbare Privileg“ gehabt, „den wichtigsten deutschen Politiker“ zu begleiten. „Ehrenmann“ Höcke sei „der mit Abstand anständigste und grundsätzlichste Mensch“. Neben Aufnahmen mehrerer AfD-Events zeigt die Reportage eine Vielzahl pathetischer Szenen: Höcke, der Brennholz spaltet, ein Pferd mit Heu füttert, durch kaltes Gewässer watet, im Halbdunkel seines Büros sitzt.
Die Nähe zwischen AfD und Filmkunstkollektiv wirft die Frage auf, wie der Verein seine Arbeit und seine Technik finanziert. Im September 2024 erklärte der AfD-Politiker Thorsten Weiß aus Berlin: „Ich werde Förderer des Filmkunstkollektivs.“ Ihm sei die „Unterstützung unseres politischen Vorfelds eine Herzenssache“. Die Arbeit „begeistert mich schon länger“, gab er preis. Eine AfD-Politikerin aus Bayern kommentierte: „Genau das erwarte ich von unserem Volksvertreter und genau das möchte ich auch als Volksvertreterin vorantreiben.“ Teile der AfD honorieren die Arbeit des Vereins. Im wahrsten Sinne des Wortes.
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