berliner szenen: Das letzte Mal Hut ab zum Gruß
Vor seiner Tür im Erdgeschoss meines Wohnhauses, da, wo normalerweise die Pfandflaschen für ihn gelassen werden, steht jetzt eine weiße Rose in einer Berliner-Kindl-Flasche. An seiner Fensterbank brennen zwei Kerzen. Erst jetzt merke ich, dass die Person auf dem Bild, das am Fenster klebt, er als junger Mann sein könnte.
Darunter sind die Blumen, die er irgendwann im Hinterhof pflanzen wollte. Das war immer seine Arbeit gewesen in dieser Jahreszeit, darauf freute er sich, wahrscheinlich auch, weil er darauf angesprochen wurde.
Die Nachbar*innen sagten ihm, dass es schön mit den Blumen aussieht, und bedankten sich. Er bezahlte alles aus seiner Tasche.
Ich hatte C. lange nicht gesehen. Wenn wir uns begegneten, nahm er seinen Hut zur Begrüßung ab oder wir machten „High Five“. Aber das letzte Mal, als ich ihn zufällig traf, unterhielten wir uns länger als sonst.
Er hatte eine analoge Kamera auf der Straße gefunden, eine Pentax, und war davon begeistert. Er zeigte sie mir und fragte mich, ob er ein Foto von mir schießen könnte.
Ich posierte mit den Krücken, die ich damals noch trug – auch nachdem er mir sagte, da sei kein Film drin. Wir lachten darüber.
Wir saßen vor dem Laden in unserem Haus. Dann erzählte er mir, jemand habe ihm ein Handy geschenkt, und er wüsste nicht, was er damit tun sollte, wofür er es brauchen könnte. Die Kamera sei dagegen einfach ein tolles Objekt an sich.
Als Nächstes fragte er mich, ob ich wisse, wie er heißt. Natürlich wisse ich das, antwortete ich, und er wirkte ein bisschen davon überrascht.
Er stand irgendwann auf und verabschiedete sich mit der Hut-Geste. Mit der Kamera an seiner Hand hängend ging er die Boddinstraße hinunter.
Luciana Ferrando
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