: Kaserne der Gewalt
USA In der Armeebasis des Täters gibt es viele Morde und Selbstmorde. Viele Soldaten sind traumatisiert
WASHINGTON taz | Einzeltäter, aber kein Einzelfall: Der Amokläufer war in seinen elf Jahren als US-Soldat bereits dreimal im Irak stationiert. Im Dezember wurde der zweifache Familienvater nach Afghanistan geschickt. Der 38-Jährige kam von der Joint Base Lewis-McChord, einer der größten Armeebasen der USA, im Bundesstaat Washington.
In Afghanistan war er als regulärer Soldat stationiert. Er sollte Spezialeinheiten, den Green Berets, dabei helfen, Dörfer zu „stabilisieren“. Diese versuchen, enge Bindungen zu Dorfältesten herzustellen und Polizeitruppen zu gründen, um Front gegen Talibanführer zu machen. Der Sergeant soll nach Angaben von Militärs auf eigene Faust gehandelt haben, als er loszog, um zu töten.
Jagd auf Zivilisten
Auf seinem Heimatstützpunkt ist er nicht der erste US-Soldat, der Jagd auf wehrlose Zivilisten in Afghanistan gemacht hat. Von dort stammte auch die als „Kill Team“ bekannte Gruppe von Soldaten, die 2010 drei unbewaffnete Zivilisten bei Kandahar gezielt ermordete. Die Soldaten machten damals systematisch Jagd auf Dorfbewohner. Sie posierten neben ihren Opfern und verwendeten abgeschnittene Körperteile und Schädel als Trophäen. Die Militärzeitung Stars and Stripes nannte die Joint Base Lewis-McChord vergangenes Jahr „den problematischsten Stützpunkt der Armee“.
Immer wieder gab es auch in den USA Gewaltvorfälle mit Soldaten aus dem aus Backsteingebäuden, Wäldern und Trainingsanlagen bestehenden Stützpunktkomplex. Ein ehemaliger Soldat aus Lewis-McChord schoss 2010 einen Polizisten im US-Staat Utah an. Im Januar tötete ein 24 Jahre alter Veteran des Irakkriegs einen Parkwächter. „Das ist nur ein weiterer Schlag für unsere Gemeinde hier“, sagte ein Mitarbeiter auf der Basis.
Trauriger Rekordhalter
Die Anlage mit rund 100.000 Soldaten und Zivilangestellten südlich von Seattle ist seit den Terroranschlägen vom 11. September stetig gewachsen. Sie hält einen traurigen Rekord von Selbstmorden unter den Kriegsrückkehrern. Allein im vergangenen Jahr nahmen sich dort zwölf Soldaten das Leben. Die Stützpunktleitung richtete deshalb ein spezielles Zentrum zur Selbstmordprävention ein. Ärzte der Basis stehen jedoch gleichzeitig in dem Verdacht, aus Kostengründen die Diagnose „posttraumatische Belastungsstörung“ bewusst selten zu stellen, um die Versorgungsansprüche zu reduzieren. So seien in den vergangenen fünf Jahren die Diagnosen von 300 PTBS-Patienten der Joint Base revidiert worden.
ANTJE PASSENHEIM