DIE ACHSE DES MIX VON TOBIAS RAPP
: Luftige Melancholie

Eigentlich meint es das CD-Format ja gut mit den Kompakt-Künstlern: wenn sie nur Mix-CDs einspielen und es mit den Künstleralben bleiben lassen würden. Maxis oder Remixe gerne – über die lange Strecke fehlt aber meist der Atem. Superpitcher geht es da nicht anders als seinem Kollegen Michael Mayer. Nachdem sein eigentliches Künstleralbum vom vergangenen Frühjahr eher enttäuschend war, ist die Mix-CD „Today“ umso großartiger gelungen. In einem langen elegischen Bogen spielt er sich von „Spark“, einem fantastischen Stück des Hamburger Produzenten Lawrence, über das wunderbare „Dinamo“ von Nathan Fake zu dem Kracher „Wurz + Blosse“ von den Wighnomy Bros.

Die luftige Melancholie, die auch Superpitchers eigene Produktionen auszeichnet, zieht sich auch durch „Today“. Nicht nur in der Stückauswahl. Kaum eines der Stücke wird vorzeitig beendet, der ganze Mix besteht aus überhaupt nur elf Tracks. Superpitcher lässt jedem Stück den vollen Raum zur Entfaltung, hier wird nicht gehetzt, sondern langsam an der Intensitätsschraube gedreht. Nur um dann ganz am Schluss in Tony Allens großartigem Afrobeat-Geklöppel aus Sebastien Telliers „La Ritournelle“ seine krönende Blende zu finden.

Superpitcher: „Today“ (Kompakt)

Der Bass federt voran

Meistens reicht schon ein Blick auf die Rillen, um Produktionen des Berliner Labels Get Physical zu erkennen: In der Mitte des Stücks findet sich in der Regel ein unübersehbarer Break. Electrohouse könnte man das Genre nennen, das Get Physical im Augenblick fast nach Belieben dominieren und mit „Body Language Vol. 1“ von M.A.N.D.Y., ein DJ- und Produzentenduo, das Get Physical mitbetreibt, startet das Label nun eine Mix-CD-Reihe.

Den Get-Physical-Sound muss man sich als leicht entschleunigten House vorstellen, der seine Kraft aus einem immer wieder umwerfend voluminös-warmen Bass bezieht und Sounds, die man mal mit dem House der frühen Neunziger verbindet, mal mit dem R&B der Achtziger. Nur eben mit unvergleichlich stärkeren Druck. Unbeirrt federn diese Tracks geradeaus, und wenn M.A.N.D.Y. sie mit einem ergreifenden Kracher wie dem Robag-Wruhme-Remix von Slams „This World“, dem wunderbaren „Appreciate“ von Jay Haze oder dem hypnotischen Technodub von Lucianos „Octogonal“ kombinieren, versteht man all die Ausgehtouristen, die sich Wochenende für Wochenende aus dem Rest Europas mit einem Billig-Airline-Ticket nach Berlin begeben, um sich in den hiesigen Clubs für zwei Nächte genau jener Magie an den Hals zu werfen.

M.A.N.D.Y.: „Body Language“ (Get Physical)

Die Eleganz des groben Spaß

Schlecht waren sie nie, die folgen der altgedienten DJ-Kicks-Serie des Berliner Studio K7-Labels, vielleicht etwas langweilig in ihren letzten Folgen. Doch mit dem Mix des belgischen Disco-House-Duos The Glimmers schwingt sie sich wieder zu alter Größe auf. The Glimmers, bis vor kurzem noch als Glimmer Twins bekannt, entstammen jener belgischen Schlagdraufundschluss-Schule, die der Welt auch schon 2ManyDJs zu verdanken hat. Wo bei anderen DJs die stilistische Akkuratesse regiert, wird sich hier spaßorientiert mit großer Geste quer durch die Stile und quer durch die Epochen geholzt. Die Glimmers spielen ihre Stücke, als sei jedes ein Hit.

Vom Electroclash der ersten Stücke, Peaches „Lovertits“ führt ihr Weg zu Kerri Chandlers „Disco Satisfaction“ um in dem großartig stumpfen HipHouse-Kracher „Everybody Get Down“ von Deepstate II einen vorläufigen Höhepunkt zu finden – was man 1991 ungestraft für coolen Unfug rappen konnte, so lange die Bassline stimmte, und es reichte „commercial“ auf „controversial“ zu reimen! Auch das wunderschön obszöne „Fix-It Man“ von Marshall Jefferson kündet von einer Zeit, als im House noch der grober Spaß und Eleganz nahtlos ineinander übergingen.

The Glimmers: „DJ-Kicks“ (Studio K7)