Anschlag auf Wohnprojekt in Cottbus: Mutmaßlich rechtsextremer Brandanschlag auf linkes Zentrum
In Cottbus wurde ein Hausprojekt mit Fackeln attackiert, zum zweiten Mal in diesem Jahr. Angreifer sollen sich als „Adolf Hitler Hooligans“ bezeichnet haben.
Die Betroffenen des „Hausprojekts Zelle 79“ sprachen von einem versuchten Brandanschlag Rechtsextremer. Der für politisch motivierte Straftaten zuständige Staatsschutz ermittelt. Die Täter sind laut Polizei bislang noch unbekannt. In den vergangenen Monaten kam es wiederholt zu Angriffen auf Einrichtungen der linken Szene und auf Jugendclubs in Südbrandenburg. Cottbus gilt seit Jahren als ein Hotspot der rechten Szene.
Angreifer sollen sich als „Adolf Hitler Hooligans“ bezeichnet haben
Eine Bewohnerin des Hauses schilderte in der Mitteilung vom Samstag, sie sei von Böllern wach geworden, überall seien Rauch und rote Flammen gewesen. Weiter berichtete das Wohnprojekt, die Angreifer hätten versucht, die Haustür aufzubrechen. Es seien fünf pyrotechnische Fackeln in den Hinterhof und auf das Gebäude geworfen worden. Einer dieser Brandsätze habe einen lokalen Brand im Hinterhof erzeugt, welcher gelöscht werden konnte. Auch ein Stein sei in Richtung eines geöffneten Fensters geworfen worden.
Die Angreifer hätten Parolen wie „Wir sind die Gang, Adolf Hitler Hooligans!“ gerufen, berichten die Hausbewohner:innen.
Die Polizei bestätigte, dass die Eingangtür und die Fassade des Hauses beschädigt wurden.
Linkes Projekt ging aus einer Hausbesetzung hervor
Das „Hausprojekt Zelle 79“ bezeichnet sich als „Freiraum für alternative (Jugend-)Kultur, Bildung und selbstverwaltetes Wohnen in Cottbus“. Es gilt als wichtiger Anlaufpunkt für die antifaschistische, feministische und die Klimagerechtigkeitsbewegung in Brandenburg. Das Projekt existiert seit den 1990er Jahren. Nach einer Besetzung 1998 war der Gruppe das heute genutzte Gebäude an der Parzellenstraße 1999 als Ersatz angeboten worden. 2018 wurde es zusammen mit dem Mietshäusersyndikat gekauft.
Die fünf Angreifer in Cottbus sollen dunkel gekleidet und teils vermummt gewesen sein, wie die Polizeidirektion Süd am Samstagnachmittag mitteilte. Bewohner des Hauses schilderten in einer eigenen Mitteilung, die Täter hätten Sturmhauben getragen.
Sie sollen auch Teile einer Baustelle genutzt haben, um die Tür des Gebäudes zu beschädigen, sagte ein Sprecher der Polizei. Es werde geprüft, ob sie wirklich in das Haus eindringen wollten. Die Polizei ermittelt wegen Landfriedensbruch. Kriminaltechniker sicherten Spuren. Es gibt aus der Nacht auch eine Videoaufnahme, die die Polizei laut eines Sprechers noch sichten will.
Das „Hausprojekt Zelle 79“ in Cottbus soll nach eigenen Angaben auch schon Ende März einmal angegriffen von Rechten worden sein. Damals sei das Haus in einer Nacht gleich zweimal mit Steinen beworfen worden. Vermummte hätten einschlägige Parolen gerufen.
Ermittlungen zu mehreren Fällen rechtsextremer Gewalt
Erst vor wenigen Tagen ging der Generalbundesanwalt gegen junge mutmaßliche Rechtsextremisten im südbrandenburgischen Landkreis Oberspreewald-Lausitz und in anderen Bundesländern vor. Im Oktober 2024 wurde nachts ein Kulturhaus im Altdöbern in Brand gesetzt, in Senftenberg wurde ein Brandanschlag auf eine Asylunterkunft geplant.
Die Sprecherin der „Initiative Sichere Orte Südbrandenburg“, Ricarda Budke, sagte laut Mitteilung: „Es handelt sich um einen gezielten Einschüchterungsversuch durch organisierte rechte Strukturen. Das war kein jugendlicher Übermut – das war ein koordinierter Angriff mit politischer Botschaft.“
Nach dem Angriff will der Cottbuser Oberbürgermeister Tobias Schick (SPD) darüber beraten, wie solche Einrichtungen besser geschützt werden können. Das sagte ein Sprecher der Stadt der Deutschen Presse-Agentur. Schick sei mit der Polizei und Betroffenen in dem „Hausprojekt Zelle 79“ in Kontakt. Er wolle Beteiligte gemeinsam an einen Tisch holen, so sein Sprecher.
„Unsere demokratischen und antifaschistischen Orte werden von Polizei und Politik trotz wiederholter rechter Angriffe nicht ausreichend geschützt und unterstützt“, beklagte der Pfarrer Lukas Pellio, der auch für die Initiative „Sichere Orte Südbrandenburg“ spricht. Die Grünen in Brandenburg forderten ein entschlossenes staatliches Handeln gegen rechtsextreme Strukturen.
Polizei: Bislang keine Tatverdächtigen gefasst
Menschen wurden bei dem Angriff auf das Haus laut Polizei nicht verletzt. Bei der Fahndung nach den Tätern seien mehrere Menschen in der Umgebung kontrolliert worden, hieß es. „Ein Tatverdacht gegen diese Personen hat sich jedoch nicht ergeben.“
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