: Goldene Zeiten für die Gottesfürchtigen
Jahwe ist der Gott der Lebendigen. Das heißt Pech für die Toten
Das Volk Israel ist eines der wenigen Völker, welches nach eigener Ansicht sein Goldenes Zeitalter noch vor sich hat. Eingeleitet wird es durch die Ankunft des Messias. Diese Prophezeiung hat dazu geführt, dass sich immer wieder Menschen als Messias ausgaben, so ein gewisser Sabatti Zwi im 17. Jahrhundert, der dann jedoch seine Anhänger enttäuschte und zum Islam übertrat.
Wenn das Goldene Zeitalter naht, wird man es jedoch erkennen. Zuerst wird großes Elend über die Welt hereinbrechen. Am „Tag des Herren“ wird man den Zorn Jahwes erfahren, Naturkatastrophen und Kriege leiten das Jüngstes Gericht ein.
Danach beginnt für die überlebenden Gerechten eine Epoche, die von spirituellem Glück, materiellem Reichtum und politischer Unabhängigkeit Israels geprägt ist. „Dann wohnt der Wolf beim Lamm, / der Panter liegt beim Böcklein“, schreibt der Prophet Jesaja.
Im Goldenen Zeitalter werden die Menschen zwar nicht unsterblich, aber sie leben auf Erden erheblich länger. Die Schätzungen reichen von mindestens 100 Jahren (Jesaja) bis zu 400 Jahren (IV. Buch Esra). In der messianischen Zeit „springt der Lahme wie ein Hirsch, / die Stimme des Stummen jauchzt auf“.
Pech hatten älteren Auslegungen zufolge nur diejenigen, die zu diesem Zeitpunkt schon gestorben waren, egal ob sie gottesfürchtig waren oder nicht: Sie fristen ihre jenseitige Existenz im Scheol. In einer finsteren und trübseligen Unterwelt, bevölkert von den Gestorbenen, den Rephraim. Sie sind nur noch Schatten ihrer vorherigen Existenz, sie können nur flüstern und murmeln, und auch wenn sie sprechen oder schreien könnten, würde sie Jahwe nicht hören, denn er ist ein Gott der Lebendigen.
Wozu dann ein gottesfürchtiges Leben führen, wenn man die Ankunft des Messias vielleicht nicht mehr erleben würde? Um dieses Problem zu lösen, wurde im Laufe der Jahrhunderte eine dem Scheol entgegengesetzte paradiesische Gegenwelt aufgebaut. In dieser stehen die Toten wieder auf. Besonders die Pharisäer glaubten an die Auferstehung von Körper und Seele, ihre Gegenspieler, die Saduzäer, bestanden auf einer wortgetreuen Auslegung der Thora, in der nicht von einer Auferstehung die Rede ist.
Erst nach der Zerstörung des Tempels im Jahre 70 nach Christus setzte sich die Auffassung der Pharisäer weitgehend durch, sie beriefen sich auf den Talmud, einen umfassenden Kommentar zur eigentlichen Heiligen Schrift, der Thora.
Wer nun genau auferstehen wird, ist nicht ganz klar, besonders deshalb, weil der Talmud laut Israel Levi „ein wahres Chaos sei, in dem die disparatesten Auffassungen aufeinander prallen und sich (…) zugleich vereinbaren lassen“. So sagen die einen, nur wer in Israel beerdigt sei, würde auferstehen. Anderen zufolge werde in der Hölle, der Gehenna, schmachten, wer nach einer Frau einen Fluss überquere oder wer beim Geldzählen einer Frau die Münzen so in die Hand legt, dass er sie dabei anschauen muss.
Drei Dinge würden einen Vorgeschmack auf die späteren Freuden geben: der Sabbat, die Strahlen der Sonne und der Geschlechtsverkehr. Die Zeit des Messias ist eine Zeit des Überflusses: „an einem Weinstock werden tausend Reben ranken“, die Auserwählten werden von dem Fleisch des Fabelwesens Leviathan essen, die Bäume werden täglich Früchte tragen und die Frauen täglich Kinder gebären.
Für den Philosophen Maimonides waren solche Vorstellungen aber allzu irdisch: Für ihn sei der jenseitige Lohn der Gerechten nichts Materielles, sondern rein geistig-spirituell. Ein solches Jenseits hat für die Seele eines Kutschers wenig zu bieten, wie der Rabbi Izhak Meir von Ger in einem Gleichnis zu erzählen pflegte. Denn der einfache Kutscher konnte mit den paradiesischen geistig-kulturellen Genüssen wenig anfangen und wurde erst glücklich, als er eine imaginäre Kutsche fahren durfte.
Eine andere Erzählung von elsässischen Juden berichtet von einer Frau, die auch im Paradies nicht aufhört zu weinen. Von Jahwe nach dem Warum gefragt, sagt sie: „Ach, ich bin so traurig, weil mein einziger Sohn ein Christ geworden ist.“ Daraufhin Jahwe: „Mein einziger Sohn ist auch ein Christ – und ich heule doch auch nicht den ganzen Tag.“ DANIEL STENDER