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Archiv-Artikel

Garantiert mottenecht

LYRIK „kummerang“ von Dagmara Kraus

Ich kratikuliere: / passiergut, zahnkopfkanten; dazwischen graxe“. Nonsens? Nein. Die Zeilen stammen aus dem Gedicht „lieber lichtpausen“. Geschrieben hat sie die in Polen geborene Dichterin Dagmara Kraus. Der knapp 80 Seiten starke, fein editierte Band „kummerang“ führt in einen eigenwilligen Kosmos munterer Sprach- und Lautexperimente, an den man als Leser sich erst mal gewöhnen muss.

Durchhalten lohnt sich, denn hinter Metaphergewittern aus Komposita, Neologismen und tänzelnden Buchstaben steckt keine Fantasiesprache, sondern eine immens melodische sprachliche Fantasie. Rezeption heißt bei Kraus offensichtlich: Bedeutungspuzzeln mit Silben, die beim Lesen wandern.

Schnell sitzt man so in den eigenen Interpretationen fest. Man darf die Gedichte aber auch einfach wirken lassen. In ihnen schimmern herrliche Sätze und thematische Figuren, die zeigen, dass es mit literarischen wie sprachlich-pragmatischen Übersetzungsmodi für Gefühle so eine Sache ist.

Fast jeder dieser Texte ist auch ein kleiner Werkstattbericht dieses Ringens der Dichterin um Ausdruck. In dem eher etwas düsteren Poem „alb acht“ heißt es dann: „acht jadekurbeln schirmen dich: acht. – auf wann ? / geh noch, wenn die winken strich, mund gen halm, / zähl dornrevers“. Aber die 30-jährige Autorin kann es auch fröhlich-ironisch wie in der Prosaminiatur einer Kontaktanzeige, „m sucht w“ betitelt: „bin / fährten-, eh- und termingerecht, nie nicht verhärmt / und garantiert mottenecht.“

Auch wenn Krauses Debüt komplexe Spielarten konkreter Poesie – bis ins Dadaistische reichend – durchläuft, stellt es doch den Klang vieler kleiner Geschichten über das Suchen und Finden sprachlicher Resonanz für Empfundenes aus – vom einzelnen Laut bis hin zum formschönen, nach Bedeutung hungernden Satz. Da kann man nur „kratulieren“. JAN SCHEPER

Dagmara Kraus: „kummerang“. Kookbooks, Berlin 2012, 80 Seiten, 19,90 Euro