franzosen über das deutsche „oui“ und das atomprogramm des iran
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Die linksliberale Pariser Libération vergleicht die Bundestagsentscheidung für die EU-Verfassung mit der Volksabstimmung in Frankreich am 29. Mai: Arme Deutsche, die ihren Abgeordneten die Aufgabe überlassen, die Verfassung zu ratifizieren! Ein Referendum ist mächtig und reißt alle mit. Auch seine Gegner, die an den Wählern zweifeln. In wenigen Wochen hat sich die Verfassung überall in Frankreich durchgesetzt: in den Buchläden, auf den Ladentheken, bei Diners in der Stadt und auf dem Lande. Sie spaltet Familien, reißt Freunde auseinander, vereint aber auch ewige Feinde, die niemals daran gedacht hätten, sich Ja zu sagen oder dasselbe Nein zu schreiben. Dank der Verfassung gibt es eine so leidenschaftliche Debatte über Europa wie seit dem Referendum über den Maastricht-Vertrag 1992 nicht mehr. Diese Kraft der Volksabstimmung hat die Grenzen überschritten. Es lebe das Referendum, das Europa bewegt und ihm erlaubt, endlich aus seiner technokratischen Schale herauszukommen und seine wahre politische Natur zu zeigen.

Die Zeitung La Provence aus der Mittelmeerstadt Marseille merkt an: Zu einer Zeit, wo Frankreich stammelt und sich verheddert, zögert und sich zerfleischt, hin- und herrudert und ohne Ende streitet, wo Strömungen und Gedanken sich treffen und wieder trennen, hat Deutschland massiv Ja zu Europa gesagt. Ein wirklicher Elan, der von der öffentlichen Meinung getragen wird. Der Elan einer der Gründernationen der EU, die den Gedanken Konrad Adenauers treu geblieben ist, die voranschreiten und die Irrtümer der Vergangenheit ausradieren will. Natürlich müssen wir nicht systematisch folgen, nur weil Deutschland Ja gesagt hat. Doch das sollte uns nicht daran hindern, besser über die Dinge nachzudenken, die auf dem Spiel stehen – und über ihre Konsequenzen.

Die katholische Pariser Zeitung La Croix kommentiert Irans Atomprogramm: Der abrupte Tonwechsel kündigt nichts Gutes an. Die Iraner scheinen aber ihre Lehre aus der Irakkrise gezogen zu haben. Während Saddam Hussein Drohungen ausstieß, obwohl er nicht über Massenvernichtungswaffen verfügte, gesteht Präsident Chatami zwar Maßnahmen zur Urananreicherung ein, bekräftigt aber, dass sie nur friedlichen Zwecken dienen solle. Doch dieser Köder wirkt nicht mehr. Die iranische Kehrtwende macht ein gemeinsames Vorgehen der Europäer und der Amerikaner noch wichtiger. Sie können die Antwort entweder in der Internationalen Atomenergieorganisation oder im UN-Sicherheitsrat geben, um Teheran zum Rückzug zu bewegen.