: Kleiner Fortschritt für Frauenrechte
ARGENTINIEN Abtreibung nach einer Vergewaltigung ist zulässig, entscheidet das Oberste Gericht. Die katholische Kirche war dagegen. AbtreibungsbefürworterInnen bewerten das Urteil als „historisch“
Das katholische Lateinamerika hat mit die strengsten Abtreibungsverbote weltweit. Am weitesten geht das Verbot in Nicaragua, wo ein Schwangerschaftsabbruch unter allen Umständen bei Strafe untersagt ist, selbst nach Vergewaltigungen oder bei Gefahr für das Leben der Mutter. In Argentiniens Nachbarländern Brasilien, Chile und Paraguay, genau wie in Venezuela und den meisten zentralamerikanischen Ländern ist Abtreibung verboten, einzige Ausnahme ist Gefahr für das Leben der Mutter. In Bolivien, Costa Rica, Ecuador, Grenada, Peru und Uruguay gelten mehr oder weniger großzügige gesundheitliche Indikationen. Lediglich in Kuba ist Abtreibung vollständig legal.
AUS BUENOS AIRES JÜRGEN VOGT
Argentinien hat die Abtreibung nach einer Vergewaltigung legalisiert. Der Oberste Gerichtshof erklärte den Schwangerschaftsabbruch nach einer Vergewaltigung jetzt für zulässig und straffrei. Nicht nur die abtreibende Frau, auch der den Schwangerschaftsabbruch vornehmende Arzt handeln dabei nicht strafbar, so die Richter in ihrem einstimmigen Urteilsspruch. Während Abtreibungsbefürworter das Urteil als „historisch“ begrüßten, ernteten die Richter heftige Kritik von der katholischen Kirche. In Argentinien, wie in den meisten lateinamerikanischen Ländern, herrscht ein strenges Abtreibungsverbot.
Dem Urteil lag der Fall einer Minderjährigen zugrunde, die im Alter von 15 Jahren von ihren Stiefvater vergewaltigt wurde und eine Abtreibung vornehmen wollte. Ein Familienrichter hatte einen Abbruch zunächst abgelehnt. Der jungen Frau war jedoch der Schwangerschaftsabbruch vom höherinstanzlichen Provinzgericht genehmigt worden. Mit der Bestätigung dieses Urteils durch die Obersten Richter erhält der Richterspruch jetzt landesweite Gültigkeit. Bisher wurde bei Vergewaltigungen in jedem einzelnen Fall von einem Gericht über die Zulässigkeit einer Abtreibung entschieden.
Abtreibungsbefürworter begrüßten dagegen das Urteil als einen historischen Schritt. „Der Richterspruch beseitigt endgültig jeden Zweifel an und jedes Hindernis gegen die Durchführung einer straflosen Abtreibung im Fall einer Vergewaltigung“, so die NGO für zivile Rechte, Asociación por los Derechos Civiles. Die katholische Kirche zog dagegen kräftig vom Leder. „Die Abtreibung ist die Unterdrückung eines unschuldiges Lebens und es gibt kein Motiv und keinen Grund, der die Eliminierung eines unschuldigen Lebens rechtfertigt“, so José María Arancedo, Präsident der argentinischen Bischofskonferenz. Eine Vergewaltigung, so bedauerlich sie sei, mache da keine Ausnahme, so Arancedo.
In Argentinien wird Abtreibung noch immer mit bis zu vier Jahren Haft bedroht. Ausnahmen gab es bisher nur bei akuter Gesundheitsgefahr für die Schwangere und unter bestimmten Umständen nach einer Vergewaltigung. Nach Schätzungen treiben dennoch jährlich bis zu 500.000 Frauen illegal ab. Komplikationen nach unsachgemäßen Eingriffen unter unhygienischen Bedingungen sind mit knapp 30 Prozent die häufigste Todesursache bei Schwangeren. Eine Kampagne für eine legale und kostenfreie Abtreibung erreichte bisher wenig. Ein entsprechender Gesetzentwurf liegt seit Mai 2007 dem Kongress vor.