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berliner szenenDie schwer­sten Pullover der Welt

Gestern betrat ich einen Späti am Rathaus Schöneberg. Drinnen stand eine Jugendliche vor einem Paket, das fast so groß war wie sie – und vermutlich auch so schwer, denn sie versuchte vergebens, es anzuheben. „Wie soll ich das denn nach Hause tragen können!?“, klagte sie. Wie sich herausstellte, hatte sie lediglich zwei gebrauchte Pullis bestellt, die niemals die Größe und Schwere dieses Pakets haben konnten. Ich musste schmunzeln, weil es wirklich absurd war: Warum sollten zwei Pullis in ein so riesiges Paket gepackt werden? Und warum zur Hölle war es so schwer? Weil ich nun selbst neugierig geworden war, ermunterte ich die Jugendliche, es direkt im Späti auszupacken. Ihr war die Situation sichtbar unangenehm, also fragte ich nach einer Schere zum Öffnen. Vorsichtig fuhr sie mit der Schere am Klebeband des Pakets entlang und faltete es dann auseinander. „Häh, was soll das denn!?“, rief sie und holte aus dem Paket eine Packung Papierhandtücher. Es waren diese gräulich-harten Billo-Papiertücher, die es zum Händeabtrocknen in öffentlichen Toi­letten gibt. Ich schaute in das Paket und sah etliche solcher Packungen. Ich half ihr, die erste Schicht aus dem Paket zu holen, denn darunter waren zwei weitere Pakete. „Vielleicht sind ja die Pullis da drin“, meinte die Jugendliche, wobei sie selbst nicht so wirkte, als würde sie das wirklich glauben. Tatsächlich waren in den anderen beiden Kartons weitere Packungen mit den Billo-Papierhandtüchern. „Und jetzt?“, fragte die Jugendliche verzweifelt. Ich empfahl ihr, das Paket erst mal im Späti zu lassen und in Kontakt mit der Verkäuferin zu treten. Sollte sich diese nicht kooperativ verhalten, könnte sie das Problem online melden. „Mach dir keine Sorgen, du wirst dein Geld schon zurückkriegen“, versuchte ich sie aufzu­muntern, doch das Paket-Monstrum hatte ihr die Stimmung verhagelt.

Eva Müller–Foell

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