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Oktoberfest im Kosmos

In Bayern dahoam, im All zu Hause: Ein himmlischer Besuch im Space-Center Oberpfaffenhofen

Bayern: Auf in die Weiten des blau-weißen Universums! Foto: dpa

Von Patric Hemgesberg

Die Schreie aus der Kapsel der Humanzentrifuge gehen uns durch Mark und Bein. Das Tempo des Trainingsgeräts im Oktoberfest-Design nähert sich stramm dem Fünffachen der Erdbeschleunigung. Leider ist der Tag für die angehenden Astronauten damit noch längst nicht beendet.

Während aus den Lautsprechern die ebenfalls immer schneller werdende „Grainauer Löffelpolka“ dröhnt, erhebt sich Professor Wanderbichl vom Bedienpult und tänzelt im fahrig performten Moonwalk auf uns zu. „Herzlich willkommen im brandneu gestalteten Zentrum für Luft- und Raumfahrt in Oberpfaffenhofen“, begrüßt uns der Ingenieur per Handschlag.

Gottlieb Wanderbichl ist Direktor der noch jungen „Bavarian Aeronautics and Space Administration“ (Basa) und hat uns zu einem Rundgang über seinen frisch eingeweihten Weltraumbahnhof eingeladen. Nach der Transformation des Bundesbildungsministeriums in ein CSU-geführtes „Ministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt“ ist aus dem ehemaligen Kuhkaff in kürzester Zeit ein oberbayerisches Houston geworden.

„Die Entscheidung, das milliardenschwere ‚Sondervermögen Infrastruktur‘ bis auf den letzten Cent für all das hier auszugeben, hat sich Ministerin Doro Bär nicht leicht gemacht“, schwindelt der Astrophysiker. „Aber andererseits – greifen wir Bayern nicht nach den Sternen, tut es halt koaner!“

Wenig später sitzen wir mit Wanderbichl unter der Kuppel seines spacigen Planetariums. „Klar wollen wir der Raumfahrt auch inhaltlich unseren Stempel aufdrücken“, berichtet der Raketenforscher aus dem himmlischen Nähkästchen. „Dazu haben wir bei der Internationalen Astronomischen Union (IAU) die Umbenennung sämtlicher Planeten des Sonnen­systems in bayerische Vornamen beantragt. Aus Mars, Venus und so weiter wird demnächst Schorsch und Gustl, Wastl, Sepp, Vroni und Beppo!“

Durch eine Schallschutztür betreten wir die hypermoderne Horchanlage der Einrichtung nahe dem idyllischen Weßlinger See. An einem guten Dutzend Bildschirmen sitzen Wissenschaftler mit voluminösen Kopfhörern und lauschen über in der ganzen Welt verteilte Radioteleskope un­unterbrochen ins kosmische Hintergrundrauschen.

„Sicher haben Sie schon von unserem Sebi-Programm gehört“, spielt Wanderbichl auf die „Search for extrabavarical Intelligence“ genannte Suche nach halbwegs gescheiten Außerirdischen an. „Dass wir in den Tiefen des Alls etwas finden, ist zwar sehr unwahrscheinlich“, muss der Akademiker zugeben. „Streng genommen gibt es Intelligenz außerhalb von Bayern ja noch nicht einmal auf unserem Heimatplaneten. Sollte aber auch nur das geringste Risiko bestehen, dass Aliens die Erde ansteuern, um nach ihrer Landung im Freistaat Asyl zu ­beantragen, möchten wir natürlich möglichst wenig einladend wirken“, warnt der Professor. „Um abzuschrecken, schießen wir deshalb regelmäßig Sonden mit Bild- und Tonmaterial von sturzbesoffenen jodelnden Oktoberfest­besuchern in den Kosmos.“

Nachdem Wanderbichl uns in der Oberpfaffenhofener Cafeteria eine Portion flüssige Astronauten-Schweinshaxe aus der Tüte spendiert hat, zeigt er uns mit dem riesigen Kontrollraum das Herzstück des Komplexes. Via Monitor können wir die letzten Vorbereitungen für einen unmittelbar bevorstehenden Raketenstart beobachten. An den bereits restlos verkohlten Ufern des nahen Weßlinger Sees werden hektisch Fässer mit Atommüll für die Reise in die extraterrestrische Ewigkeit verladen.

„So nehmen wir den Kernkraftrückkehrgegnern in Sachen Endlagerproblematik natürlich den Wind aus den Segeln“, schnalzt der bekennende AKW-Fan mit der Zunge. Wie riskant die Operation wirklich ist, erfahren wir nur Minuten später. Als der interstellare Castor-Transport mit feuerspeienden Triebwerken die Stratosphäre erreicht, ohne zu explodieren, schleudern Wanderbichls Mitarbeiter jubelnd ihre Loden­hoodies in die Luft.

Mittlerweile ist es früher Abend. Nach unserem Besuch in der Schneiderei für Trachten-Raumanzüge will Professor Gottlieb Wanderbichl sich gerade von uns verabschieden, da klatscht er sich mit der flachen Hand auf die Stirn. „Himme, Oarsch­ und Woiknbruch! Die Humanzentrifuge!“

Nach einem Sprint zurück in die Trainingsabteilung stoppt er das seit viereinhalb Stunden am Limit laufende Folter­instrument per Notschalter. Die Erleichterung folgt auf dem Fuß. Dem prominenten Astro-Tandem Markus Söder und Alexander Dobrindt geht es, abgesehen vom grünen Teint und der schlaff herunterhängenden Gesichtsmuskulatur, blendend. Das verzweifelte Röcheln auf Wanderbichls Frage nach ­einem zweiten Durchgang legen wir zulasten der CSU-Alpha­männchen nicht ganz wahrheitsgemäß als „haut scho“ aus.

Möge das Universum uns ­verzeihen.

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