: Gebt uns ein Lebenszeichen
Britische Astronom*innen wollen den bisher stärksten Hinweis auf Leben auf einem anderen Planeten gefunden haben. Was ist da dran, und wie nah sind wir außerirdischem Leben wirklich? Eine Einordnung
Von Enno Schöningh
1 Um welchen Planeten geht es überhaupt?
Um K2-18b, etwa achtmal so groß wie die Erde und ungefähr 124 Lichtjahre von ihr entfernt. Astronom*innen hatten den Planeten bereits 2015 entdeckt und schnell erkannt, dass er ein vielversprechender Ort für die Suche nach außerirdischem Leben sein könnte. Er umkreist seinen Stern K2-18 nämlich innerhalb der bewohnbaren Zone. Das bedeutet, dass man dort ein Glas Wasser hinstellen könnte, das weder verdampft noch gefriert.
2 Wie kommen die Forschenden nun konkret darauf, dort Leben gefunden zu haben?
Im Jahr 2023 hat ein britisches Forschungsteam mit Instrumenten des James-Webb-Weltraumteleskops (JWST) die Atmosphäre von K2-18b untersucht. Dabei fanden sie Hinweise auf Wasserdampf, Kohlendioxid, Methan – und auch auf Dimethylsulfid (DMS). Das ist ein Molekül, das auf der Erde nur von lebenden Organismen produziert wird, größtenteils von marinem Phytoplankton. Deshalb vermuteten sie, dass der Planet einen Ozean haben könnte.
Die Hinweise auf DMS waren jedoch äußerst schwach, und viele Astronom*innen forderten belastbarere Hinweise. Mitte April hat das Forschungsteam daher K2-18b mit einem anderen Instrument des JWST beobachtet. Dieses Mal fanden sie ein viel stärkeres Signal für DMS und zusätzlich auch für ein verwandtes Molekül namens Dimethyldisulfid (DMDS), das auf der Erde ebenfalls nur von Lebewesen produziert wird. Das Forschungsteam hat erklärt, dass das Signal ein Konfidenzniveau von drei Sigma hat. Das heißt, dass die Wahrscheinlichkeit, dass es sich um einen Zufall handelt, bei 0,3 Prozent liegt.
3 Die Suche nach Aliens klingt eher nach Hollywood. Wie viel echte Wissenschaft steckt in der Forschung?
Viel! Mit glubschäugigen grünen Wesen und Ufos hat das Forschungsfeld aber nichts zu tun. Wissenschaftler*innen beobachten vielmehr das Licht von Sternen mit Weltraumteleskopen. Schiebt sich ein Planet auf seiner Umlaufbahn zwischen Stern und Teleskop, durchdringt das Licht des Sterns die Planetenatmosphäre, bevor es auf das Teleskop trifft. Auf diese Weise entdeckt man auch Exoplaneten – also Planeten außerhalb unseres Sonnensystems – wie K2-18b. Dabei verrät das Licht auch, wie die Atmosphäre eines Planeten aufgebaut ist. Jedes Molekül absorbiert nämlich nur bestimmte Wellenlängen des Lichts, und zwar auf seine spezifische Weise. Dadurch hinterlässt jedes Molekül eine Art Fingerabdruck.
Planetenforscher*innen wie das britische Team sind die Detektive, die diese Abdrücke zuordnen. Das ist allerdings knifflig. Die Informationen über die Moleküle erreichen die Forschenden als verrauschte und ungefilterte Daten. Die müssen sie bereinigen und sie dann mit simulierten Daten oder Labordaten abgleichen, um zu ermitteln, welche Moleküle die Lichtsignatur erzeugt haben könnten. Das bedeutet viele Annahmen und viel Ausprobieren, weshalb andere Astronom*innen mahnen: Bevor sich herumspricht, dass auf K2-18b tatsächlich eine Biosignatur gefunden wurde, sollten weitere Forschungsteams nach Beobachtungen des Planeten zum gleichen Ergebnis kommen. An dieser Front gibt es bereits erste Zweifel. Der Astrophysiker Jake Taylor hat denselben Datensatz untersucht und stellt die Forschungsergebnisse in Frage.
4 Was ist eine Biosignatur?
Man weiß aus der langen Geschichte der Erde, dass es in der Erdatmosphäre chemische Verbindungen gibt, die dort nur wegen der Stoffwechselprozesse des Lebens sind. Ein Beispiel: Würde das photosynthetisch aktive Leben auf einem Planeten verschwinden, würde auch Sauerstoff sehr schnell verschwinden. Deshalb könne man den atmosphärischen Sauerstoff als Biosignatur betrachten, sagt der Astrophysiker Adam Frank, unter anderem 2024 im Interview mit der taz: „Wenn wir Sauerstoff in einer fremden Atmosphäre nachweisen könnten, wäre das ein Hinweis darauf, dass es dort eine Biosphäre und damit Leben gibt.“ Das britische Forschungsteam interpretiert die von ihm auf K2-18b entdeckten Moleküle, Dimethylsulfid und Dimethyldisulfid, als solche Biosignaturen, weil sie auf der Erde ausschließlich lebende Organismen produzieren können.
Es ist aber nicht auszuschließen, dass auf irgendeinem anderen Planeten Moleküle vorkommen, die auf der Erde als Biosignatur gelten, dort aber einen anderen Ursprung haben. Im Jahr 2020 etwa gaben britische Forscher*innen bekannt, dass sie Phosphin, ein weiteres Molekül, das mit Leben auf der Erde verbunden wird, in den Wolken der Venus entdeckt haben. Doch fünf Jahre später rätseln die Astronom*innen immer noch darüber, ob es andere Erklärungen für das Vorhandensein des Moleküls gibt, wie etwa Vulkanausbrüche. So muss auch die Entdeckung von DMS mit Vorsicht betrachtet werden. Es gibt bereits alternative Theorien, wie das Molekül auf K2-18b gelangt sein könnte. Beispielsweise wurde DMS auf einem Kometen gefunden – es könnte also auch unabhängig von Lebensprozessen auf den Planeten gelangt sein, etwa durch Kometeneinschläge.
5 Nehmen wir mal an, es gibt Leben auf K2-18b. Könnte dort dann eine hochentwickelte Spezies ihr Unwesen treiben?
Das ist sehr unwahrscheinlich. Zum einen, weil die Evolution, wie sie auf der Erde stattgefunden und zu komplexem Leben geführt hat, eine Art biologischer Glücksfall war. Während man das Verhalten von Planeten oder anderen Himmelskörpern sehr genau vorhersagen kann, wenn man genügend Daten hat, ist das bei Leben anders. „Wenn Sie mir eine einzelne Zelle geben und mich fragen, was in vier Milliarden Jahren mit ihr geschehen wird, dann werde ich niemals in der Lage sein, ein riesiges Kaninchen vorherzusagen, das Ihnen ins Gesicht schlagen kann. Trotzdem sind Kängurus entstanden“, sagte Astrophysiker Frank im taz-Interview.
Zum anderen, weil eine hochentwickelte Spezies ziemlich sicher nicht nur eine Biosignatur, sondern eine Technosignatur hinterlassen würde. Dabei handelt es sich um chemische Verbindungen, die die Natur nicht herstellen kann und die ein hohes Maß an wissenschaftlichem Verständnis voraussetzen. Ein irdisches Beispiel für eine solche Technsosignatur sind Fluorchlorkohlenwasserstoffe, kurz FCKW. Sie wurden zur Kühlung in Kühlschränken und in Klimaanlagen eingesetzt, sind in die Atmosphäre gelangt und haben dort das Ozonloch verursacht. Sollte eines Tages also tatsächlich außerirdisches Leben auf einem fernen Planeten entdeckt werden, handelt es sich dabei höchstwahrscheinlich nicht um unsere kosmische Konkurrenz.
6 Bisher war immer nur von Hinweisen die Rede. Kann es überhaupt jemals sichere Beweise für außerirdisches Leben geben?
Erste Forschungsergebnisse zu möglichen Biosignaturen, wie das Beispiel K2-18b aufzeigt, müssen zunächst durch weitere Untersuchungen anderer Forschungsteams zu deren Vorhandensein und Ursprung bestätigt werden. Das kann viele Jahre dauern. Selbst dann kennen wir nur die Signatur, also Zusammensetzung der Atmosphäre. Welche Formen das Leben auf dem fernen Planeten annimmt, können wir mit unseren heutigen technologischen Möglichkeiten nicht bestimmen. Im Falle von Exoplaneten, auf denen die Wissenschaft außerirdisches Leben für möglich hält, kommt hinzu, dass sie sehr weit von der Erde entfernt sind. Die Menschheit kann nicht einfach eine Sonde dorthin schicken, um Material zurück auf die Erde zu bringen, wie es bei Mond oder Mars möglich ist.
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