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„Wir sind optimistisch!“

New York hat seit drei Jahren mit „Hell Gate“ ein alternatives Onlinemagazin. Sein Co-Gründer Nick Pinto erklärt die Vorteile einer Publikation in der Hand ihrer Mitarbeitenden

Interview Lukas Hermsmeier

taz: Wie kam es zur Gründung von Hell Gate?

Nick Pinto: Wir alle haben früher bei alternativen Magazinen wie Village Voice oder für Blogs wie Gothamist und Gawker gearbeitet – Medien, die meinungsstark, dreist, witzig und aggressiv-machtskeptisch drauf waren. Doch sind all diese Publikationen gestorben. Wir haben sie einfach vermisst und dachten, dass es den Le­se­r:in­nen auch so geht.

taz: Was steckt hinter dem Namen?

Pinto: Die offizielle Antwort ist, dass wir nach der stabilsten Brücke New Yorks benannt sind: Hell Gate Bridge. Die inoffizielle Antwort: Wir dachten, es wäre ziemlich metal, müsste der Bürgermeister bei Pressekonferenzen die Worte „Hell Gate“ (Höllentor) in den Mund nehmen.

taz: Was ist eine typische Hell-Gate-Geschichte?

Pinto: Kürzlich war eine Reporterin unterwegs, um herauszufinden, was die New Yorker über Luigi Mangione denken. Das ist der junge Mann, der wegen Mordes am Chef eines extrem profitablen und verhassten Versicherungsunternehmen angeklagt ist. Unsere Reporterin trug ein T-Shirt mit Mangiones Foto und der Aufschrift „Free my man“. Über die Reaktionen der Leute und die sich entwickelnden Gespräche über das US-Gesundheitssystem schrieb sie dann einen Text.

taz: Bei Hell Gate gibt es keine Chefs, den Re­dak­teu­r:in­nen gehört das Magazin.

Pinto: Das war uns aus persönlichen Gründen wichtig. Wir mussten in unseren früheren Laufbahnen immer wieder erleben, dass im Management fürchterliche Entscheidungen getroffen wurden. Wir glauben, dass die Leute, die die tatsächliche Arbeit machen, das Sagen haben sollten.

taz: Welche Vorteile hat das?

Pinto: Sehr viele. Die Arbeit macht schon mal mehr Spaß. Wir sind auch näher an den Le­se­r:in­nen dran, weil sie uns stärker vertrauen. Auch spart man Geld, wenn man nicht verschiedene Managementebenen bezahlen muss. Unsere Entscheidungsfindungsprozesse sind zwar manchmal langsamer, aber wir sind mittlerweile besser darin, uns bei wichtigen Fragen zu einigen. Was die redaktionelle Arbeit betrifft, haben wir mit der Zeit festgestellt, dass es ein bisschen mehr Hierarchie braucht. Zwei von uns behalten als Redakteure den Überblick, die anderen sind vor allem als Re­por­te­r:in­nen im Einsatz.

taz: Ermöglicht eure Eigentümerstruktur auch mehr journalistische Freiheit? Bei der Washington Post gab der Besitzer Jeff Bezos ja gerade bekannt, dass es Vorschriften für das Meinungsressort gibt …

Pinto: Ja! Wir Jour­na­lis­t:in­nen entscheiden, worüber wir wie schreiben. Genau so sollte es auch sein.

taz: US-Präsident Donald Trump greift Jour­na­lis­t:in­nen persönlich an. Medien werden von Pressekonferenzen ausgeschlossen. Schwindet die Pressefreiheit in den USA?

Foto: Tod Seelie/Hell Gate

Nick Pinto (46) ist Journalist in Brooklyn mit Fokus auf Polizei und Justiz. Früher schrieb er für The Village Voice und The New York Times Magazine.

Pinto: Ja. Das hat aber bislang weniger mit den Maßnahmen der Regierung zu tun als vielmehr mit der Kapitulation vieler Medienunternehmen. Die Eigentümer der Los Angeles Times und Washington Post haben ihren Redaktionen einen Maulkorb verpasst. Statt die Regierung juristisch zu bekämpfen, geben sich große Publikationen mit Vergleichen ab. Jour­na­lis­t:in­nen werden in diesen Fällen von Ei­gen­tü­me­r:in­nen verraten. Wir bei Hell Gate sind froh, dass wir uns über so etwas keine Gedanken machen müssen.

taz: Neben Hell Gate wurden in den letzten Jahren auch andere Medien gegründet, die in der Hand ihrer Mitarbei­te­r:in­nen­ sind. Ein Trend?

Pinto: Ich hoffe, dass weitere dazukommen! Wir werden jedenfalls von Jour­na­lis­t:in­nen aus dem ganzen Land um Rat gefragt, wie sie ihre eigene Publikation gründen können, und wir helfen natürlich gerne dabei.

taz: Woher kommt denn eigentlich das Geld?

Pinto: Vor allem am Anfang waren wir stark auf die Unterstützung von Phil­an­thro­p:in­nen und Stiftungen angewiesen. Unsere Vision war es aber immer, in erster Linie durch Abos finanziert zu sein – und das haben wir mittlerweile erreicht. Wir verkaufen auch Anzeigen, aber die machen keinen großen Anteil aus. Drei Viertel unserer Erträge kommen durch Leser:innen, durch die wir bislang insgesamt über eine Million Dollar eingenommen haben. Wir konnten jetzt zum zweiten Mal die Redaktion vergrößern. Wir sind optimistisch!

Lukas Hermsmeierarbeitet als freier Journalist in Berlin und New York.

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