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Archiv-Artikel

EIN SCHRITT IN RICHTUNG SADO-MASO

Tief, tief dunkelblau sind sie, die neuen Uniformen der Polizei: Ab heute werden sie in Hamburg ausgeteilt, Niedersachsen und Bremen wollen sie bald einführen. Aber wie wirkt sich diese Veränderung aus? Modefachmann Bent Jensen hat die Kleidungsstücke en détail inspiziert – und erläutert ihre Vor- und Nachteile. Protokoll führte Daniel Wiese

Modedesigner Bent Jensen hat sich Zeit genommen: Auf Bitten der taz hat ihm die Hamburger Polizei die neuen Uniformen vorgeführt – die Parade- und die Alltags-Version. Jensen hat die Nähte geprüft, den Schnitt, die Stoffqualität. Und er hat die Beamten nach dem Tragegefühl befragt. Grundsätzlich, so sein Fazit, sei es „der richtige Schritt, jetzt eine neue Uniform auf den Markt zu bringen“. Aber auch seine Enttäuschung über die Verarbeitung und seine Skepsis bezüglich der Farb-Botschaft gibt Jensen zu Protokoll:

Richtig, aber etwas lieblos

Die farblichen Veränderungen [der Ausgehuniform, die Red.] finde ich richtig. Ich stell’ mir das auch toll vor mit einem weißen Hemd, das ist frisch. Dann finde ich auch gut, dass das Jackett seitlich geschlitzt ist. Das wirkt ein bisschen flotter. Schade ist, dass man die hellblauen Querstreifen an den Taschen weggelassen hat, die waren bei den Entwürfen noch da. Gewöhnungsbedürftig finde ich diese US-inspirierte Mütze.

Ein bisschen enttäuscht bin ich über die Verarbeitung und auch das Design. Wenn man schon die Möglichkeit hat, eine neue Uniform auf die Straßen zu bringen, hätte man sie dafür nutzen können, um etwas Schmuckeres zu machen. Mit kleinen Details, nicht übertrieben und auch nicht zu verspielt, aber einfach mit etwas Frische. Man hätte leichte Kontrastnähte oder Applikationen in einer Kontrastfarbe einsetzen können, zum Beispiel am Ellbogen. Ich finde das etwas lieblos. Und die Verarbeitung ist halt auch industrieller unterer Mittelklasse-Standard. Ein Kaufhaus-Anzug im Preisbereich 200, 300 Euro ist ungefähr so oder noch besser verarbeitet.

Den großen Unterschied macht aber die Passform, also wie die Uniform sitzt. Ich denke, das sind Standard-Grundschnitte, und da sollte man doch unbedingt den einzelnen Damen und Herren die Uniform anpassen. Da geht’s dann um Taillenweite, Schulterbreite, Armlänge. Das macht einen großen Unterschied. Bei italienischen und französischen Polizisten zum Beispiel sitzt die Kleidung richtig gut, das macht sehr viel aus.

Ein zeitloser Kragen

Die neue Ausgeh-Uniform wird auf jeden Fall besser aussehen, als die grüne. Was jetzt aber für die meisten im Alltag zu sehen sein wird, ist die neue Straßenbekleidung. Das ist eine schwarze Hose oder dunkelblau, wie gesagt wird, aber es ist ein Tief-tief-tief-Dunkelblau. Ich habe zumindest erst gedacht, es sei Schwarz. Die hellblauen Längsstreifen an der Seite lockern das zwar auf, aber der Gesamteindruck bleibt dunkel. Und dazu in derselben schwarzblauen Farbe ein Hemd und eine Krawatte – alles Ton in Ton.

Das wird der größte Wechsel sein. Denn vorher kannte man diese bambusfarbenen Hemden mit grüner Krawatte und olivgrüner Hose, und jetzt kommt eine Hose im Security-Stil, mit großen Gürtelschlaufen und sehr großen Taschen am Gesäß. Das ist ein vernünftiges Material, ich denke das ist bequem zu tragen. Dann das dunkelblaue Hemd, das find ich sehr hübsch, mit einem Kragen, klein und zeitlos und klassisch, der ist super, und dazu diese dunkelblaue oder schwarzblaue Krawatte.

Knallharte Farben

Dieser Wechsel hat auch eine Wirkung: Wenn man alles in Schwarz trägt, ist das ein sehr ausdrucksstarkes Auftreten. Ich mag das persönlich gerne, vom modischen Aspekt her – aber es ist sehr hart. Das wirkt sehr verschlossen, man kann auch sagen unterkühlt, und hat so etwas von Militanz – das geht ein bisschen in Richtung Sado-Maso, wo auch Schwarz und Dunkel wichtig sind.

Das ist nicht menschlich, alles in Schwarz zu tragen oder in Dunkelblau, und insofern halte ich das nicht für eine positive, freundlich-fröhliche, für den Passanten gewählte Zusammenstellung. Ein hellblaues Hemd wäre hier wesentlich besser gewesen: Es geht ja auch darum, dass der Polizist bei einem Unfall oder bei einem Überfall – also in einer Situation, wo er Hilfe leistet – etwas Beruhigendes, Erfreuliches bringt. Dieses Schwarz-in-Schwarz oder meinetwegen Dunkelblau-in-Dunkelblau nimmt einem regelrecht die Luft. Das ist echt hart. Ich will jetzt überhaupt nicht den Vergleich ziehen, es hat mich auch gar nicht daran erinnert, aber die Gestapo war auch komplett in Schwarz.

Da darf dann auch nicht die Funktionalität im Vordergrund stehen, zumal ein schwarzes Hemd, egal welcher Qualität, nach zehn Wäschen einfach nicht mehr gut aussieht. Man sieht das hier ja ganz deutlich, dass die Manschetten Blasen schlagen und am Kragen die Färbung schon jetzt verloren geht. Gut, das ist jetzt nur ein Prototyp, aber das ist bei so dunklem Stoff generell schwer.

Ich will den Beamten natürlich nicht die Hoffnung nehmen, aber das ist bei Schwarz wirklich ganz schwer, ein hochwertiges Hemd gefertigt zu bekommen, das nach zehn Wäschen noch gut aussieht. Ein hellblaues Hemd dagegen kann man über Jahre waschen.

Das Ende der Enge

Ich denke, die Polizei in neuer Uniform, das kann etwas ganz Positives sein. Und das wäre auch das Beste, wenn eine Uniform einen positiven Eindruck bei den Passanten hervorruft. Die alten Uniformen sind zuletzt nur noch ein Schmunzelding gewesen, gerade wenn man den einen oder anderen Polizisten noch mit der entsprechenden Frisur gesehen hat – alles noch original so wie vor 25 Jahren. Kaum war man zurück über die Grenze, sah man diese grüne Uniform und wusste: Man ist wieder daheim.

Bei der alten Uniform gab es ja auch ganz schöne Hemden, aus grünem Mischgewebe, ein bisschen Jersey-artig mit Schulterklappen und ganz schlankem Arm. Ich kann mir vorstellen, dass Leute das mal super fanden. Aber irgendwann mag man das wahrscheinlich nicht mehr sehen. Ich hatte auch den Eindruck, dass die Beamten in diesen Uniformen oft sehr eingezwängt waren und irgendwie gequält aussahen.