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Archiv-Artikel

Nach dem Schottern: Jetzt wird abgestottert

ATOMPROTEST Erstes Urteil gegen Schotter-Sympathisanten ist gefallen: Geldstrafe

BERLIN taz | Gotthilf Lorch ist gleich ein gutes Beispiel: Dass der 50-jährige Mann ein harter Schotter-Aktivist sein könnte, liegt fern. Der gehbehinderte Sozialarbeiter aus Tübingen sitzt im Elektrorollstuhl. Doch es geht auch gar nicht darum, ob er es in jenem Protestjahr 2010 im niedersächsischen Wendland in den Wald schaffte, um dort die Bahngleise zu unterhöhlen. Gotthilf Lorch unterschrieb im Internet im Vorfeld der Proteste eine Unterstützerliste, deren Unterzeichner sich zum Schottern bekannten – Aufruf zu einer Straftat. Dafür wurde er am Donnerstag verurteilt. Es ist das erste Urteil gegen einen Unterzeichner.

Knapp 1.800 Ermittlungsverfahren hatte die Lüneburger Staatsanwaltschaft 2010 aufgenommen, als das linksradikale Spektrum mit der Kampagne „Castor? Schottern!“ ein neues Protestformat der massenhaften Gleisunterhöhlung beim Castortransport im Wendland einführte. Die Kampagne sorgte für viel Aufmerksamkeit.

Gotthilf Lorch war damals nicht im Wald. Er argumentierte vor dem Lüneburger Landgericht, er habe mit seinem Namen lediglich seine Solidarität zum Ausdruck bringen wollen. Zu einer Straftat habe er niemanden aufgerufen.

Das sah das Gericht anders und verhängte eine Geldstrafe von 15 Tagessätzen à 25 Euro. Gegenüber der taz sagte der zuständige Richter, er habe bei der Abwägung wohlwollend berücksichtigt, dass es sich in der Sache inhaltlich „um ein nachvollziehbares, zu billigendes gesellschaftliches Gesamtanliegen“ gehandelt habe. Darüber dürfen sich die Schottererfreunde nun freuen.

Viele von ihnen könnten aber noch Post bekommen. Zwar wurden inzwischen rund 450 Verfahren eingestellt, weil Verdächtige nicht zu ermitteln waren oder sich reuig zeigten. Über 1.000 Verfahren sind jedoch noch offen. Mit Gerichtsverfahren muss aber nur rechnen, wer sich im Nachhinein nicht von dem Aufruf distanziert und die Zahlung einer Spende oder Geldstrafe verweigert. MARTIN KAUL

Kommentar auf www.taz.de: „Verknackt sie alle!“