: Im Zeichen des Klassenkampfs
ROTE HILFE Blandine Bonjour und Bernd Köhler singen zum Tag der politischen Gefangenen Chansons aus aller Welt. Sie erinnern dabei auch an die Geschichte der Arbeiterkämpfe
von Andreas Schnell
Was ein politische Gefangener ist, hängt natürlich vom Standpunkt ab. In der Regel macht so etwas nur der politische Gegner. Weshalb auch die Rechten eine Organisation zur Unterstützung ihrer Gesinnungsgenossen gegründet haben. Um die soll es allerdings hier nicht gehen.
Der Tag der politischen Gefangenen, der am Sonntag von der Roten Hilfe Bremen e. V. mit einem Konzert begangen wird, bezieht sich ausdrücklich auf eine revolutionäre Tradition des Klassenkampfs – von unten. Der 18. März wurde 1923 von der Internationalen Roten Hilfe zum „Internationalen Tag der Hilfe für die politischen Gefangenen“ erklärt. Der Nationalsozialismus setzte dem ein Ende. Das Datum sollte nicht zuletzt an die Gründung der Pariser Commune erinnern.
Erst 1996 knüpften der „Förderverein Libertad! für internationale Kommunikation und Solidarität“ und die 1975 gegründete Rote Hilfe an diese Tradition an. Die Rote Hilfe kümmert sich dabei nicht nur um in Deutschland inhaftierte politische Gefangene. Rechtsbeistand gehört zu den wichtigsten Aufgaben des Vereins, aber auch Kampagnen für politische Gefangene in aller Welt. Nachlesen lässt sich das in der vierteljährlich erscheinenden Zeitschrift Rote Hilfe. In einer Sonderausgabe zum 18. März geht es beispielsweise um inhaftierte Journalisten in der Türkei, Mumia Abu-Jamal, stattliche Repressionen in Weißrussland, in der Schweiz, auf den Philippinen sowie in der BRD.
Zum Jahrestag der politischen Gefangenen gibt es in vielen Städten Aktionen und Veranstaltungen. In Bremen treten zu diesem Anlass Blandine Bonjour und Bernd Köhler auf, die seit einigen Jahren mit ihrem Chanson-Programm „Chansons sans cigare“, Lieder ohne Zigarre, unterwegs sind und gerade ihr zweites gemeinsames Album veröffentlicht haben. Köhler ist seit Ende der sechziger Jahre als Singer/Songwriter aktiv, unterstützte in den siebziger Jahren den Kommunalwahlkampf der DKP in Mannheim, beschäftigte sich aber auch mit Erich Mühsam und sang für die Gewerkschaften. 2009 bekam er mit seiner Gruppe ewo2 den „Preis der deutschen Schallplattenkritik für das Album „avantipopolo2“. Blandine Bonjour wurde in Lyon geboren, studierte Germanistik, Romanistik und Geschichte, lebt in Mannheim und gilt als ausgewiesene Chanson-Expertin.
„Les nouveaux Mousquetaires“ enthält neben einer Eigenkomposition Lieder von Zülfü Livaneli, Boris Vian und Jacques Prévert sowie traditionelle Songs. Dabei schlagen Köhler und Bonjour einen großen Bogen vom 19. Jahrhundert bis in die Gegenwart: „Ich bin Soldat“ stammt aus der Zeit des deutsch-französischen Krieges von 1870, Boris Vian schrieb sein „Le Déserteur“ unter dem Eindruck der französischen Niederlage in Diên-Biên-Phu, das Titelstück „Les nouveaux Mousquetaires“ aus eigener Feder zollt den sozialen Bewegungen von heute Tribut. Und natürlich ist der Wahlspruch der Musketiere mitgedacht: „Einer für alle, alle für einen.“ Andere Lieder kreisen um Migration, um die Pariser Commune, mit Livanellis „Kardesin Duymaz“ haben Köhler und Bonjour auf ihrem neuen Album aber auch ein Stück, das sich ausdrücklich mit der Situation eines politischen Gefangenen beschäftigt.
■ Sonntag, 20 Uhr, Lagerhaus