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„Wer in der taz siezt, ist kei­n*e ta­zle­r*in“

Sie-Form in der taz? Pfui Teufel! Unsere taz-lab-Redakteurin Wilma hat sich umgehört, wie es taz­le­r*in­nen und andere Medienhäuser mit der Höflichkeitsform auf der Arbeit halten

Stets auf Pfaden der Gegenöffentlichkeit: Ein taz-Redakteur zeigt Fuß in der Kaffeeküche Foto: Karsten Thielker

Von Wilma Johannssen

Als ich das erste Mal in den taz-Kosmos, besser: in die taz-Familie, eintrat, war sogar die Geschäftsführung mit mir sofort per Du. Das mag für eine junge Frau wie mich eher ungewöhnlich sein, mit älteren Kol­le­g:in­nen in die persönliche Du-Form zu gehen. Aber, so die Geschäftsführerin Aline Lüllmann: „In der taz werden alle geduzt. Einfach so.“

Moment mal: Habe ich mich hier in ein Familienessen oder WG-Treffen verirrt? Nicht nur mich irritierte die erste Begegnung mit der Du-Kultur. Auch Marketing-Praktikant Elias war kurz verdutzt ob der Selbstverständlichkeit, mit der in seiner ersten Redaktionssitzung alle beim Vornamen genannt wurden.

Unter meinesgleichen, an der Uni oder in der Freizeit, ist ja das Du üblich. Wer duzt, gehört dazu. Wer aber in der taz nach dem zweiten Tag noch siezt, wird kritisch beäugt. Das Du als eine Art Eignungstest der Kumpel-Kollegialität? Vielleicht ein Maulwurf der FAZ? Natürlich wird das nicht unterstellt, obgleich es seltsam ist, wenn nach Tag zwei das Du noch nicht fest im Sprachgebrauch verankert ist, so behauptet es Simone Schmollack, die Leiterin der Meinungsredaktion: „Wer in der taz siezt, ist kei­n*e taz­le­r*in oder hat den ersten Tag. Am zweiten passiert das schon nicht mehr.“ Auch ich wurde, wenngleich milde, in die Schranken gewiesen, als ich einen Kollegen aus der Kulturredaktion versehentlich siezte.

Die Gewöhnung an das Duzen kommt aber rasch. Einmal durch die Duz-Waschstraße gezogen, geht sogar beim ein oder anderen Telefonat das Sie flöten.

Kuscheln vs. Kollegialität

Wo bleibt da der Respekt vor Menschen, die eben schon lange im Job sind, kompetent durch und durch?

Aber, das weiß ich, Respekt sollte man vor jeder Person haben, ob nun Du oder Sie. Ein respektvolles Miteinander ist das A und O, bestätigt auch die Geschäftsführerin. Sie befürwortet die Du-Atmosphäre, den persönlichen Touch und die Vertrautheit im Umgang miteinander. Ein Siezen mache alles steifer und unentspannter, setzt Kollegin Simone hinzu.

Das Go-to-Argument: Hierarchielosigkeit. Aber ist das wirklich so hierarchielos? Ein Du – und das Von-oben-herab ist weg? Sollen überhaupt alle Hierarchien futsch werden?

Dem Wirtschaftswissenschaftler Thomas Breyer-Mayländer zufolge, der die Duz-Kultur in Unternehmen untersuchte, lässt sie Hierarchien allerdings nur flacher erscheinen und versteckt bestehende Machtverhältnisse. Häufig bleibt Big Boss trotz Du Big Boss.

Das Du ist freilich nicht überall geläufig. Wobei, so hörte ich von älteren Kollegen, die taz sei Ende der siebziger Jahre schon bei Gründung ein Start-up von heute gewesen: Alles sollte fast freundschaftlich sein, also per Du. Das ist bis heute nicht in allen Medienhäusern so: In der FAZ, hörte ich, wird eher selten geduzt, in Sportressorts eher geduzt. Und bei der Zeit gibt es noch die klassisch-hanseatische Form der verbindlichen Anrede: „Wilma, würden Sie …“ Klingt gespreizt, hat aber seinen eigenen Charme.

So oder so: Das Du hat in der taz identitäts- und kulturstiftendes Format. Darüber herrscht Einigkeit im Haus. Bestrebungen nach der Sie-Form hätten abteilungsübergreifend eh keine Chance.

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