HAMBURGER SZENE VON UTA GENSICHEN: Menschen machen Fotos
In Scharen ziehen täglich die Touristen durch Hamburgs City und knipsen alles, was ihren Weg kreuzt. Mit ihren Digitalkameras stürzen sie sich förmlich auf die so genannten Wahrzeichen der Stadt. Schon millionenfach haben sie den Michel angeblitzt, die Landungsbrücken herangezoomt oder an der Herbertstraße den Nachtmodus eingestellt.
Unter der Kersten-Miles-Brücke habe ich vor wenigen Tagen erfahren, welche Wahrzeichen noch zu Hamburg gehören. Wie unter so vielen Brücken liegen dort etliche Schlafsäcke. Die Überführung schützt ihre Besitzer vor Sonne, Wind und neugierigen Blicken. An solchen Orten vorbeizugehen ist unangenehm. Zwei Welten treffen hier aufeinander: Die Welt der Wohnungslosen und die Welt der Menschen mit Stromrechnung, warmen Duschen und Balkonpflanzen.
Während ich über diese Gegensätze nachgrübele, kommt mir ein Paar entgegen. Sie tragen Wanderschuhe und Rucksäcke. Der Mann hält einen Stadtplan in der Hand, die Frau eine Kamera. Plötzlich fuchtelt er wild mit der rechten Hand. Der Zeigefinger lenkt die Augen der Frau auf die Schlafsäcke. Klick – schon hat sie den Auslöser ihrer silbernen Kamera gedrückt. Unzufrieden blickt sie auf den Monitor. Noch einmal drückt sie ab, diesmal mit Blitz. „Toll“, sagt sie. Die Beiden gehen weiter in Richtung Landungsbrücken. Das nächste Wahrzeichen wartet schon.
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