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Archiv-Artikel

Selbst ernannte „Patrioten“ mit überregionalem Anspruch

Die NPD träumt von der großen „Volksfront von Rechts“. Gemeinsam mit DVU und den neonazistischen „freien Nationalisten“ sollte bei der Landtagswahl in NRW der „Sturm auf den Berliner Reichstag“ vorbereitet werden. Doch das Vorhaben wird wohl scheitern. Neonazis bleiben lieber unter sich, und auch die „Republikaner“ verfolgen eigene Ziele

 Die Parteien: Die NPD tritt in 109 von insgesamt 128 Wahlkreisen an. Unterstützt wird sie dabei von der Deutschen Volksunion (DVU) und „vielen freien Nationalisten“ aus dem Umfeld der so genannten „freien Kameradschaften“, einem Zusammenschluss zum Teil militanter Neonazi-Kader. Mit der „Volksfront von Rechts“ erhoffen sich die Rechten eine Bündelung nationaler Kräfte. Die Wahlerfolge 2004 in Sachsen und Brandenburg schienen dies zu bestätigen. Bei der Landtagswahl in Schleswig-Holstein scheiterte die NPD. Bundesweit hat die NPD rund 5.300 Mitglieder. Schwerpunkt: die neuen Bundesländer.

Allein im letzten Jahr konnten die Nationaldemokraten 300 Mitglieder hinzu gewinnen – ein Folge der Öffnung Richtung militanter Neonazis. In NRW ist die NPD mit 650 Mitgliedern marginalisiert. Bei der letzten Landtagswahl erreichten die Nationaldemokraten 2.357 Stimmen, bei der Kommunalwahl 2004 kamen sie in den Kommunen, in denen sie antraten, auf ein bis zwei Prozent.

Die vom Verfassungsschutz beobachteten „Republikaner“ grenzen sich offiziell von den Neonazis ab. Ein Teil der Mitglieder wechselte daher vor der Wahl zu NPD & Co. Die Mitgliederzahl der „Republikaner“ sank in den letzten zehn Jahren landesweit um die Hälfte auf knapp 1.000. Bei der Landtagswahl 2000 kamen die „Republikaner“ auf 1,1 Prozent (83.296 Stimmen). Dennoch gelang es den „Republikanern“, in allen 128 Wahlkreisen Kandidaten aufzustellen.

Allerdings sollen in mehr als 25 Wahlkreisen Unterstützerunterschriften gefälscht worden sein. Dazu gab es den Vorwurf der „Vortäuschung falscher Tatsachen“ beim Sammeln von Unterstützerunterschriften. „Härtere Strafen für Kinderschänder“, hieß eine der Forderungen. Ein Verweis auf die Partei fehlte. Obwohl zahlreiche Verdachtsmomente bestanden und Staatsanwaltschaft und Polizei immer noch ermitteln, ließ der Landeswahlausschuss alle Kandidaten zu. Sollten sich die Verdachtsmomente bestätigen, sei eine nachträgliche Annullierung der Stimmen möglich, heißt es aus dem Innenministerium.

In 41 Wahlkreisen aufgestellt ist die „Bürgerrechtsbewegung Solidarität“ (BüSo), eine Nachfolgeorganisation der Partei „Patrioten für Deutschland“ unter der Führung von Helga Zepp-LaRouche. Der Informationsdienst gegen Rechtsextremismus (IDGR) schreibt: „Die Programmatik der LaRouche-Organisationen ist durchdrungen von antisemitisch-verschwörungstheoretischem und autoritärem Gedankengut.“ Bei der Landtagswahl 2000 erreichte die BüSo 2.530 Stimmen.

 Die Akteure: Spitzenkandidat der NPD ist der Bundesvorsitzende Udo Voigt. Auf Platz drei der Landesreserveliste tritt der vorbestrafte NPD-Landesvorsitzende Klaus Cremer an. Voigt und Cremer kandidieren in Bochum. Nicht ohne Grund: Im Bochumer Vorort Wattenscheid befindet sich die Landeszentrale der NPD. Auch auf der Liste: die „freien Nationalisten“ Christian Malcoci, Daniela Wegener, Ralph Tegethoff und Stephan Haase.

Die „Republikaner setzen auf ihre Landesvorsitzende Uschi Winkelsett. Die Rest der „Mannschaft“ setzt sich fast ausschließlich aus unbekannten Männern gehobenen Alters zusammen. Frauenquote: unter fünf Prozent.

 Die Ziele: „Arbeit zuerst für Deutsche“, fordern die Nationaldemokraten. Migranten wünschen sie „eine gute Heimreise“. NPD und Co. treten offen ausländerfeindlich, rassistisch und antisemitisch auf. Letztendlich geht es den Nationaldemokraten um die „Abschaffung des herrschenden Systems“. Populistische Forderungen wie „Erhaltung der Stahlwerke und Zechen“, „Kostenfreies Erststudium“, „Soziale Grundsicherung“ dienen nur als Vorwand. Großes Ziel ist die Errichtung „einer nationalen Regierung im Reichstag“.

„Die Republikaner“ bezeichnen sich als „demokratische Rechtspartei“. „Wir grenzen uns ausdrücklich gegen NPD, DVU und ähnliche Organisationen ab.“ Gleichzeitig beschweren sie sich, dass „ausländische Leistungsempfänger unser Sozialsystem belasten“. Die „Republikaner“ setzen sich ausschließlich für „deutsche Interessen“ ein. „Nein zur EU!“, heißt ein Slogan. Vorderstes Ziel ist die innere Sicherheit: Aufrüstung der Polizei, Abschiebung aller krimineller Migranten, höhere Gefängnisstrafen.

 Die Aussichten: In den Umfragen der Meinungsforschungsinstitute tauchen beide Parteien nur unter dem Titel „Sonstige“ auf. Der Stern sieht die NPD laut einer Forsa-Umfrage bei drei Prozent. Das NRW-Innenministerium mochte den Wert nicht bestätigen. Der Verfassungsschutz NRW sieht die Nationaldemokraten konstant bei unter einem Prozent. Beunruhigender: Im Februar meldete Infratest Dimap, dass sieben Prozent der nordrhein-westfälischen Bürger „nicht ausschließen können“, eine Partei von Rechtsaußen zu wählen. Bei der Kommunalwahl im vergangenen Jahr konnte die NPD ihren Stimmenanteil verdoppeln. Allerdings lag die Wahlbeteiligung bei unter 40 Prozent. Außerdem trat die NPD nur dort an, wo sie sich Erfolge erhoffte.

Durch das gleichzeitige Antreten von NPD und „Republikanern“ dürfte laut Verfassungsschutz „keine der rechten Parteien die Fünf-Prozent-Hürde überspringen“. Zusätzliche Probleme entstehen der NPD durch die Spaltung der „freien Nationalisten“.

Während der Hamburger Kameradschaften-Vordenker Christian Worch versucht, die Zusammenarbeit mit der NPD auf eine breite Basis zu stellen, gehen etliche andere „Kameraden“ auf Distanz. Der Neonazi-Kader Axel Reitz bezeichnet die NPD als „Systempartei“, deren Mitglieder als „Verräter“. Viel militante Neonazis rufen zum Wahlboykott auf. Das Kalkül der Nationaldemokraten, mit einem breiten rechtsradikalen Bündnis in die Parlamente einzuziehen, könnte schon in NRW scheitern.HOLGER PAULER