: RWI: Ökologie keine Wachstumsbremse
Das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung ist beeindruckt vom ökologischen Wandel im Revier. Umweltpolitik sei nicht Schuld am fehlenden Aufschwung. IHK kennt keine Firmen, die aufgrund von Umweltauflagen abwandern
VON ULLA JASPERUND ANDREAS WYPUTTA
Im Streit um ihre vermeintlich wirtschaftsfeindliche Umweltpolitik bekommen die Grünen Unterstützung von unerwarteter Seite. Christoph Schmidt, Präsident des wirtschaftsnahen Rheinisch Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung in Essen, bezweifelt, dass die von den Grünen durchgesetzte Umweltpolitik Schuld ist am ausbleibenden Wirtschaftsaufschwung im Ruhrgebiet. „Es gibt wenig Spielraum: Das Ruhrgebiet kann auch mit der besten Politik, die man sich wünschen kann, das Erbe der Montanindustrie nicht innerhalb von ein paar Jahren vergessen machen“, so Schmidt zur taz. Zudem sei der ökologische Wandel in der Region „ohne Zweifel beeindruckend“.
Seit Wochen behaupten Industrie und FDP, dass Umweltschutz Arbeitsplätze zerstöre. Der wirtschaftspolitische Sprecher der FDP-Landtagsfraktion, Gerhard Papke, bezeichnet die „grünen Ökosozialisten“ als „Sicherheitsrisiko für NRW“. Und unlängst hatte der Chef des Bayer-Betriebsrats, Erhard Gipperich, die „wirtschaftsfeindliche“ Politik der Grünen kritisiert und gefordert, die „Grünen müssen raus aus der Regierung“.
Belegen lässt sich das „Standortrisiko Umweltschutz“ nicht. Die Industrie- und Handelskammern (IHK) im Ruhrgebiet können keine Firmen nennen, die abwandern oder nicht mehr investieren, weil sie unter zu hohen Umweltauflagen zu leiden hätten. Zudem komme „ein Großteil der Auflagen heute ja ohnehin aus Brüssel“, räumt Michael Pieper von der IHK Niederrhein ein.
Industrie- und Umweltpolitik, dass müsse kein Widerspruch sein, sagt auch Nordrhein-Westfalens grüne Umweltministerin Bärbel Höhn – und nennt als Beispiel den Stahlstandort Duisburg. Stark erhöhte Werte von Krebs erregendem Benzol und Benzoapyren habe die alte ThyssenKrupp-Kokerei im Stadtteil Bruckhausen ausgestoßen: „Es bestand das Risiko, dass die 275 Einwohner an Krebs erkranken.“ Erst auf Druck der rot-grünen Landesregierung habe der Stahlriese im Stadtteil Schwelgern die modernste Kokerei der Welt gebaut. Jetzt sichere die 800 Millionen Euro teure Investition den Stahlstandort Duisburg. „Sonst würde die Produktion in Küstennähe, etwa nach Wilhelmshafen, verlagert“, sagt Höhn – ein Großteil der Kokskohle kommt heute aus Übersee. „Selbst in der Feinstaub-Debatte sprechen wir heute über Düsseldorf und München, und nicht in erster Linie über Duisburg“, freut sich die Grüne.
Unterstützung bekommt Höhn auch vom Gesamtbetriebsratschef des ThyssenKrupp-Konzern, Thomas Schlenz. „Verlässlich“ sei die rot-grüne Landesregierung von Ministerpräsident Peer Steinbrück (SPD), lobt der Gewerkschafter. Gerade im Streit um den Emissionshandel habe Höhn Druck auf ihren Parteifreund, Bundesumweltminister Jürgen Trittin, gemacht, um Wettbewerbsverzerrungen zu verhindern. „Schließlich haben wir unseren Kohlendioxid-Ausstoß schon seit 1991 um 14 Prozent gesenkt“, sagt Schlenz: „Da hatten unsere Konkurrenten noch gar nichts gemacht.“