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Wenn alte Menschen in Mülltonnen stochern

In einer der krummen Gassen im Hamburger Szeneviertel Ottensen, nicht weit vom Bahnhof Altona, steht ein alter Mann in der Abenddämmerung. Das heißt, eigentlich steht er nicht, er hängt über einer Mülltonne und scheint darin etwas zu suchen. Wie ein Obdachloser sieht er nicht aus, vielleicht wohnt er hier in der Nachbarschaft? Obwohl es noch sehr kalt ist, trägt er Sandalen, an der Hauswand steht sein Rollator.

So richtig scheint sein Vorhaben nicht zu gelingen, er kommt nicht in die Tiefe der Tonne. Der Mann hält ein. Und kippt entschlossen die Mülltonne um, die leer und damit ganz leicht zu sein scheint. Triumphierend zieht er eine Pfandflasche aus Plastik heraus, geht zu seinem Rollator und steckt sie in eine Tüte, die über dem Griff hängt.

Hamburg-Ottensen

35.469 Einwoh­ner*innen, war mal ein Arbeiterstadtteil mit vielen Fabriken in den Hinterhöfen. Jetzt sitzen dort Agenturen und Kreativbüros, und die Preise steigen.

In derselben Straße werden Ferienwohnungen mit dem Hinweis angepriesen, Ottensen sei das „Klein-Paris an der Elbe“. Die Boutiquen! Die Cafés! Trotzdem kann es gut sein, dass der alte Mann hier wohnt, denn was es in der Straße auch gibt, ist eine Suppenküche für Obdachlose. Es kämen, erzählen die Betreiber, vermehrt alte Menschen zu ihnen, deren Rente zum Leben nicht reicht. Daniel Wiese

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