: „Die Strukturen sind männlich geprägt“
Den Unis ist es nicht gelungen, die Begabungen des weiblichen Nachwuchses ausreichend zu nutzen, sagt Dorothea Jansen. Sie rät im Rahmen eines Mentoring-Programms Wissenschaftlerinnen, sich in Netzwerke zu integrieren
taz: Frau Jansen, was müssen Frauen wissen, wenn sie eine Professur anstreben?
Dorothea Jansen: Wir richten uns ja an bereits hochqualifizierte Wissenschaftlerinnen, also Privatdozentinnen, Habilitandinnen, Juniorprofessorinnen und Postdoktorandinnen. Um Professorin zu werden, muss man schon im Vorfeld die Anforderungen des Wissenschaftsbetriebs kennen, also: Welche Publikationen sind wichtig, wie wirbt man Drittmittel ein, wie plant man seine Karriere. Zu all diesen Fragen bieten wir Seminare an. Natürlich muss man aber auch wissen, wie Berufungsverfahren funktionieren. Es reicht nicht, nur das formale Prozedere zu kennen. Ebenso wichtig sind die informellen Prozesse. Der Kardinalfaktor für die Karriereentwicklung ist, dass man in die relevanten Netzwerke, also in die Scientific Community, integriert ist.
Wie kann Ihr Programm da helfen?
Unser wichtigster Ansatz sind die Mentorenschaften. Jede Teilnehmerin hat einen gut etablierten Professor oder eine Professorin vom Fach, die sie berät. In persönlichen Treffen sprechen sie über das wissenschaftliche Profil, analysieren eigene Stärken und Schwächen oder aber, wie man sich am besten im Berufungsverfahren präsentiert. Natürlich vermitteln sie den Frauen auch teilweise Kontakte in die Community hinein oder beraten bei der Vernetzung.
Warum haben es Frauen mit dem Berufswunsch Professorin immer noch so viel schwerer?
Es geht heute weniger um direkte Diskriminierung. Entscheidend ist, dass die Wissenschaft sich unter Ausschluss von Frauen entwickelt hat und damit auch die Strukturen und Fachkulturen „männlich“ geprägt sind. Noch immer dominiert das Leitbild des männlichen Wissenschaftlers, der sich mit Leib und Seele seiner Forschung verschreibt. Das führt dazu, dass begabte Frauen sehr viel seltener zu einer akademischen Karriere motiviert fühlen. Hinzu kommt, dass weibliche Berufsbiografien gerade mit Blick auf eine Familiengründung in die Karrierestrukturen des Wissenschaftssystems nicht ohne weiteres hineinpassen.
Heißt das, Frauen trauen sich die wissenschaftliche Karriere auch weniger zu?
Nein, das würde ich nicht sagen. Aber wenn sie es sich zutrauen, brauchen sie ja auch immer noch das Zutrauen und die Anerkennung der anderen. Erst muss sich ja auch ein Doktorvater oder eine Doktormutter finden, die sie zur Promotion und zur Habilitation zulässt und sie fördert.
Das erste Ihrer einjährigen Programme wurde gerade evaluiert. Was haben Sie erreicht?
Von den 35 Frauen, die im letzten Jahr teilnahmen, haben mittlerweile vier eine Professur. Eine der Frauen hat sogar zwei Rufe erhalten und muss sich nun entscheiden. Die Wissenschaftlerinnen sagen, dass unser Programm sehr unterstützend gewirkt hat.
Für ProFiL haben sich die drei großen Berliner Universitäten zusammengetan. Ist Berlin da ein Vorbild für andere?
Bisher ist es den deutschen Hochschulen nicht gelungen, die Begabungen des weiblichen Nachwuchses ausreichend zu nutzen. Fast die Hälfte der Absolventen sind Frauen, und die Leistungen sind im Durchschnitt sogar besser. Aber auf dem weiteren Weg brechen die Frauen weg. Nun haben unter anderem auch die Unis in Aachen, Köln und Bonn angefangen zu kooperieren – mit dem Ziel, Frauen auf dem Weg zur Professur zu fördern. Die Kooperation in Berlin ist da auch ein Vorbild, und sie ist sehr ressourcenschonend. Trotz geringer Mittel – unser Etat pro Jahr beträgt nur 84.000 Euro – haben wir viel erreicht.
INTERVIEW: TINA HÜTTL