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Für zwei Soprane ist die Welt zu eng

Karin Beier sperrt in der Staatsoper Hamburg Donizettis Maria Stuarda in einen albtraumhaft kalten Kerker. Dort singt sie aber herzerwärmend

Long Long ist der Geliebte Conte di Leicester. Aber sein Tenor erweicht nicht nur das Herz von Elisabetta (Barno Ismatullaeva) Foto: Brinkhoff/Mögenburg/Staatsoper HH

Von Katrin Ullmann

„Es ist mein Wunsch, dass mein Blut immer in Erinnerung bleibt“– so endet der letzte Brief von Maria Stuart an Elisabeth I. Ein paar Vergünstigungen ersucht sie darin von der Königin von Schottland. Für ihre Gebeine, für ihre Dienerschaft. Unterzeichnet ist das Dokument aus dem Jahr 1586 mit: „Eure Schwester, die widerrechtlich Gefangene. Maria, Königin“.

Die Schauspielerin Sandra Gerling spricht diesen Text, noch bevor sich der Vorhang zu Karin Beiers Inszenierung von Gaetano Donizettis Oper „Maria Stuarda“ hebt. Gerling spricht ihn ins Dunkel, frontal, gefasst und ruhig. Zwei Akte später wird die Schauspielerin Katja Danowski als Elisabetta-Double ebenso klar und stolz ihre Entscheidung für das Todesurteil gegen Maria manifestieren: „Ich werde das tun, was für die Sicherheit meines Volkes und für das Wohl meines Reiches am besten ist“, rechtfertigt sie ihren Entschluss in den halb erleuchteten Zuschauerraum, so als wäre dort ihr Volk versammelt. Schließlich habe Maria ihre Verbrechen nicht öffentlich bereut und schließlich seien sie auch keine Milchmädchen mit Eimern auf den Armen: Sie sind Königinnen. Und davon kann es nur eine geben.

Maria Stuarda, Hamburgische Staatsoper, wieder am 22., 25., 28. 3. und 2. 4., jeweils 19 Uhr, sowie am 30. 3., 18 Uhr

Basierend auf Friedrich Schillers „Maria Stuart“, das 1830 ins Italienische übersetzt wurde, schuf Donizetti gemeinsam mit dem Librettisten Giuseppe Bardari „Maria Stuarda“. Uraufgeführt wurde die Belcanto-Oper im Jahr 1834. Die katholische Regentin Maria – aus Schottland vertrieben, bisschen Blut klebt bereits an ihren Händen – sitzt darin seit 18 Jahren im Kerker von Elisabetta, der Königin von England fest. Diese ist Protestantin und sorgt sich um ihren Thron. Schließlich war Maria an einer Verschwörung katholischer Adeliger gegen Elisabetta beteiligt. Doch ist die Schwester nicht nur ein Sicherheitsrisiko, sondern auch eine Konkurrentin in Sachen Liebe. Denn der Conte di Leicester ist Elisabettas Geliebter. Eigentlich …

Bei Marias Hinrichtung rahmt der Chor den Platz wie ein dunkler Trauerrand

Stoff genug für politische Konflikte und große Leidenschaften, für Attacken nach allen Regeln der Belcanto-Kunst. Mit den Sopranistinnen Barno Ismatullaeva als Elisabetta und Ermonela Jaho als Maria Stuarda sind die beiden Protagonistinnen dieser Inszenierung herausragend besetzt – zwischen ihnen schmilzt leidenschaftlichst Tenor Long Long als Leicester. Koloraturen so perfekt wie bewegend, so triumphierend wie flehend. Stimmen voll beeindruckender Intensität und feiner Emotionen füllen scheinbar mühelos den Raum, erzählen mit Farbe, Facette und Zartheit von nichts Geringerem als von Liebe und Tod, Gier und Macht, Hass und Angst.

Am Boden zerstört: Ermonela Jaho als Maria Stuarda und ihr Double, Sandra Gerling Foto: Brinkhoff/Mögenburg/Staatsoper

Albtraumhaft kalt ist der Kerker, in dem Karin Beier „Maria Stuarda“ in Szene setzt, das Licht (Annette ter Meulen) hart und schonungslos. Die Bühnenbildnerin Amber Vandenhoeck hat ein überdimensionales Gefängnis entworfen, mit den Mauern einer unbezwingbaren Festung. Ein steinerner Kubus dreht sich darin langsam, gibt mal eine karge Nische preis und bald ein Podest, das düster und monumental im Raum steht wie ein öffentlicher Opferplatz. Später, bei Marias Hinrichtung wird sich der Chor (Leitung: Eberhard Friedrich) in unerbittlicher Schwärze, die Köpfe teils mit angedeuteten Henkerkapuzen bedeckt (Kostüme: Eva Dessecker), darum gruppieren, wird den Platz rahmen wie ein dunkler Trauerrand. Von der Decke hängt stets drohend eine metallene Träne, während an der Bühnenrückwand die Videos von Severin Renke in unerbittlicher Zeitlupe von Gier und Macht erzählen und Hände zeigen, die nach Kronen greifen und solche, die sich in blutverschmierte Perlen versenken. Manchmal erscheinen dort auch historische Gemälde von Elisabeth I. und Maria Stuart – beide mit stolz erhobenem Haupt.

Stolz sind die Königinnen auch in Beiers Inszenierung, aber auch unrettbar festgesetzt an diesem unmenschlichen Ort. Die eine durchschreitet ihn selbstsicher mit weitem, rotem Lackmantel und glitzernder Krone und steigt auch mal auf einen einsamen Tisch, um ihre Macht und ihren Hochmut zu demonstrieren. Die andere kauert oft in Büßer-Pose oder irrt schutzlos zwischen den Mauern umher. Doch beide – ob Regentin und Todeskandidatin – sind gefangen in ihrem Handeln. Und so erzählt Beier zwar vom Kampf zweier Rivalinnen, aber auch von deren Ausweglosigkeit und unverrückbaren Grenzen. Mit Doubles, die sie den Sängerinnen zur Seite stellt, bebildert sie im Hintergrund die Innenwelten der Figuren, schafft zum unsterblichen, politischen Körper einen privaten und endlichen. Dann erzählen fein choreografierte Szenen von Verletzlichkeit, menschlicher Schwäche, Sehnsucht und Verführung. Es sind starke Bilder voll unerbittlicher Klarheit, die Beier an diesem Abend schafft. Mit ihnen gelingt eine eindrucksvolle Inszenierung über Politik und Macht, Hass, Liebe und Menschlichkeit.

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