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Unter Druck

Die taz verabschiedet sich von Print – zumindest werktags. Was bedeutet das für Drucker, Spediteure und Zusteller, die Nacht für Nacht dafür sorgen, dass die Zeitung morgens im Briefkasten liegt?

Von Sean-Elias Ansa (Text) und Wolfgang Borrs (Fotos)

Müdigkeit? „Nee, ick bin topfit“, sagt Andrea Piechulek und wirkt überzeugt dabei. Jede Nacht liefert sie Zeitungen nach Groß Lindow, im Osten Brandenburgs. Ihre Tour beginnt um 1.15 Uhr. Auch die taz trägt sie aus – genau genommen ist es eine einzige. Menschen wie Piechulek arbeiten, wenn die meisten schlafen. Sie stellen ihren Rhythmus um, damit andere morgens Zeitung lesen können. Früher arbeitete Andrea Pichulek als Haushaltshilfe. „Irgendwann konnt ick keen Lappen und keen Staubsauger mehr sehen“, erzählt sie. Jetzt ist sie ihre eigene Chefin.

Jede Nacht sitzt sie in ihrer neongelben Fleecejacke tief in ihrem Auto, sodass sie gerade über das Lenkrad gucken kann. Auf dem Armaturenbrett stapeln sich die Zeitungspakete. Beim Fahren zieht sie sich immer wieder hoch, hüpft dabei ein wenig von ihrem Sitz. Neben der taz sind auch ein paar Exemplare der Märkischen Oderzeitung (MOZ) dabei. Nach ein paar Minuten Autofahrt erreicht sie den ersten Briefkasten auf ihrer Tour.

Die Zukunft der Zeitungsbranche ist ungewiss, die Auflagen gedruckter Zeitungen sinken seit Jahrzehnten. Nach dem 17. Oktober 2025 wird die taz den werktäglichen Druck einstellen. Seitenwende heißt dieses große Projekt. Ab dann können Leser die taz nur noch digital abonnieren. Oder die weiterhin gedruckte wochentaz lesen. Seit über 45 Jahren wird die taz gedruckt. Zunächst in Berlin, und später auch an anderen Orten, etwa in Wittenburg, Mecklenburg-Vorpommern. Dieser Text begleitet die Menschen bei der Arbeit: von der Druckerei, im Auto mit drei Spediteuren, einer Zustellerin, in zwei Verteilzentren und auf mehreren Hundert Kilometern Autobahn. Das Ziel ist ein Briefkasten nahe der polnischen Grenze.

„Bei der taz sind das 96 Platten, die uns fehlen werden. Das merkt man schon“

Michael Huster, 60 Jahre, arbeitet in der Druckerei

Rund acht Stunden zuvor: Wenn die Druckmaschine loslegt, klingt es, als würde eine Lokomotive durch die Halle donnern. Hier werden von Sonntag bis Donnerstag 5.000 taz-Exemplare gedruckt. Gerade hieven Mitarbeiter die erste Papierrolle in die Maschine. Das aufgewickelte Papier sieht aus wie eine gewaltiger Kassenbonrolle, 1.250 Kilogramm schwer. Die Maschine zieht sie durch ihre Pressen, Trichter und Windungen. Walzen drucken Farbe auf. Schicht für Schicht. Es ist 17.20 Uhr, der Andruck hat begonnen.

Diese Druckmaschine ist ein Ungeheuer aus Stahl und Öl und Kraft. Über drei Etagen und mindestens 10 Meter Höhe. Schwarze und blaue Flächen glänzen im Neonlicht, Maschinenöl und Papierduft durchdringen die Luft. In gleichmäßigem Takt vibriert der Gitterboden. Ohrenbetäubend brummt und zischt es. Am Ende geschieht ein Wunder: Lärm und Bewegung verwandeln sich in eine fertige Zeitung.

Menschen wie Michael Huster machen das möglich. Wenn die taz­le­r:in­nen in der Redaktion den letzten Artikel abgeschickt haben, fängt sein Job an. Nach und nach trudeln PDF-Dateien aus dem taz-Layout ein. „Zuletzt kommen immer die Seite 1 und die Seite 21 – warum, weiß ich auch nicht“, sagt Huster. Sein Job ist es, mit den Vorlagen im Computer etwas Greifbares zu erschaffen. Michael Huster gibt der taz eine physische Existenz. Dafür druckt er jede Seite zunächst auf Aluplatten. Später werden sie in die Druckmaschine gesetzt. „Ist wie Kartoffeldruck“, sagt er.

Gerade überträgt er die Nahaufnahme in sein System, die Seiten vier und fünf. Huster arbeitet im Halbdunkel. Das ist wichtig, um die lichtempfindlichen Aluplatten zu schützen. Orange Folie filtert das Sonnenlicht, ein grauer Vorhang hängt schlaff über einer Tür. Die Luft riecht nach Chemie, nicht beißend, aber deutlich.

Plötzlich surrt und zischt es in der Maschine mit der Aufschrift „Krause“. Ein kleiner Greifer entfernt ein aufliegendes Schutzpapier vom nächsten Blech. Winzige Kameras justieren die Platte, ein Laser brennt digitale Druckdaten millimetergenau auf die Platte. Nach einem Chemiebad spuckt „Krause“ ein Stück Blech-taz aus.

Alu zu Papier: Drucker Pagels setzt die Vorlage in die Maschine ein

„Ich lese die Zeitung viel“, sagt Huster. Auch wenn ihm nicht alles darin gefällt. Hat er Angst um seinen Job, jetzt, wo die taz den Druck der werktäglichen Ausgabe einstellt? „Bei der taz sind das 96 Platten, die uns fehlen werden. Das merkt man schon“, sagt er. Insgesamt stellt die Druckerei etwa 360 Platten pro Tag her. „Bis zur Rente würde ich schon noch gerne bleiben“. Er ist jetzt 60. Und leise sagt er: „Es wird sich schon fügen.“

Die Printabonnenten der taz sind durchschnittlich so alt wie Michael Huster: 60 Jahre. Für viele ist eine Zeitung nicht nur eine Informationsquelle, sondern Struktur im Alltag. Doch der Druck verbraucht viel Energie, ist umweltschädlich und teuer. Die Aluplatten sind Einmalware. Ihre Produktion zerstört Natur. Für die Papierherstellung werden Wälder gerodet. Was entsteht, wird meist nur einmal gelesen. Das ist nicht nachhaltig, nicht wirtschaftlich, hat keine Zukunft. Die taz wählt einen Mittelweg. Mit dem wöchentlichen Druck in einer anderen Druckerei bleibt die wochentaz den Lesern und Leserinnen erhalten, der tägliche Druck wird eingestellt. Doch bis es so weit ist, macht Huster seinen Job.

Im Moment klemmt Michael Huster die biegsamen Platten in Halterungen an der Wand. Der Drucker Christian Pagels übernimmt sie und setzt die Bleche in die Druckmaschine. Jetzt geht es los. Nach dem Andruck, schnappt er sich eine taz und blättert sie durch. Sein Urteil: Maschinen stoppen! Er sieht, dass rote Farbpigmente auf dem Logo fehlen. Wie kleine gelbe Blubberbläschen. Außerdem hat die Farbe im Titel der Seite 1 noch nicht das gewünschte Rot. „So was passiert eigentlich fast nie“, sagt er. Nach kurzen Anpassungen und Reinigung läuft die Maschine wieder. Jetzt passt alles.

Eine Transportkette übernimmt die fertigen Zeitungen – das kann man sich wie eine Carrerabahn vorstellen. Nur ohne Loopings. Klemmen greifen jede Ausgabe im Abstand von wenigen Zentimetern und tuckeln sie in drei, vier Metern Höhe durch den Raum. Es rattert, klappert und brummt. Schließlich verschwinden die Zeitungen hübsch aufgereiht hinter riesigen Plastikvorhängen. In einer weiteren Halle verschnüren Versandmitarbeiter die Pakete, dann bringt ein Transportband die gestapelten Zeitungen nach draußen. Es ist kurz vor 18 Uhr, jetzt übernimmt die Spedition.

„Dit macht Spaß. Keiner sagt mir, wie ich meine Tour machen soll. Ich könnte laufen oder Rad fahren“

Andrea Piechulek, 61 Jahre, Zustellerin

Ein Mann in Arbeitsklamotten greift die Zeitungen an ihren Verschnürungen und stapelt in seinen weißen Lieferwagen. Er kontrolliert den Lieferschein, läuft ums Auto. Nach wenigen Minuten hat er die Zeitungen verstaut. Dann erst stellt er sich vor: „Ich bin Marko und du bist jetzt 200 Kilometer mein Gefangener“, sagt er. Trotz der Warnung steigt der Journalist ein, Marko fährt los. Sein Nachname? „Huhn, wie ein richtiges Huhn.“ Er möchte aber beim Du bleiben. Marko ist der Mann, der die taz von Wittenburg nach Berlin bringt. Er sagt, für viele Menschen ist es selbstverständlich, in der Auslage oder im Briefkasten die Zeitung zu finden. Dahinter steckt aber eine Menge Arbeit. Arbeit von Menschen wie ihm. „Ich bin froh, ein Teil davon zu sein.“ Er ist gerade 50 geworden, kommt aus einem kleinen Ort in Brandenburg und so spricht er auch.

Marko arbeitet auch noch im Baumarkt. „Holzabteilung“, sagt er. Er verdient genug mit diesem Job, aber Autofahren ist sein Hobby. „Beim Fahren vergisst du den ganzen Tag, die ganze Woche. Ich komme dabei runter.“ Zu Hause hat er vier Autos, sagt er, weil er Autos eben mag. In einem kann er sogar schlafen. Manchmal stört ihn nur die Einsamkeit. „Es ist schön, wenn ich mal nicht allein fahren muss.“

Seit 2016 macht er die Zeitungstouren jetzt. Den Tipp hat er von seinem Bruder bekommen, der ist Fernfahrer. Während er redet, verschwindet die Sonne langsam hinter der Autobahn. Wie eine Deutschlandfahne, nur rückwärts: Gelb, Rot, Schwarz. Marko sitzt meist im halben Schneidersitz mit einem angewinkelten Bein. Manchmal lehnt er sich etwas vor und stützt sich auf das Lenkrad. Auf Dauer brauche man schon Sitzfleisch für den Job, sagt er. Mit konstant 110 km/h fährt er ruhig und sicher bis nach Staaken bei Berlin. Dort befindet sich ein Verteilzentrum der Spedition Ohl auf einem Industriegelände. Keine Laternen, alles dunkel. Es ist nach 20 Uhr, als der Mercedes Vito von der Hauptstraße biegt.

Ist die Nahaufnahme gut geworden? Michael Huster prüft

Nach wenigen hundert Metern und zwei Kurven wuseln einige Menschen durch die Gegend, hie und dort stehen weitere Lieferwagen. Es ist eine große schummrige Betonwüste. Jeder Mitarbeiter der Spedition fährt eine Ladung Zeitungen in eine bestimmte Stadt: manche gehen bis nach Zürich. Hier in Staaken treffen sie sich und verteilen ihr Ware. Die 5.000 taz von Marko haben es nicht so weit. Sie bleiben in Berlin oder landen in Autos nach Dresden, Erfurt, Frankfurt (Oder). Neben der taz warten dort auch Exemplare der Junge Welt, BZ und kleinerer Lokalblätter auf ihre Weiterreise.

Aus offenen Hallen leuchten Neonröhren, daneben stapeln sich Paletten auf einer Rampe. Zwei Baucontainer dienen als Anlaufpunkt für die Mitarbeiter. Ansonsten Autos oder Dunkelheit. Marko parkt seinen Wagen und will aussteigen. Da schreit ein Mitarbeiter von der Rampe. „Ick muss genau dazwischen, da kannste nicht parken. Dit weeß man doch als Fernfahrer.“ Der Mitarbeiter fährt den Gabelstapler und braucht für sein Gerät Platz. Also parkt Marko um. Er steht jetzt quer, mitten auf dem Gelände, öffnet alle Türen, steigt aus. Erstmal eine rauchen. Dann lädt er seine Ware aus.

Kurz darauf kommt der Gabelstapler mit ordentlich Tempo angefahren. Das Geräusch des Staplers erinnert an Auto-Scooter. Der Fahrer bedient die mächtigen Greifer so gekonnt, dass er trotz des Tempos präzise in die Aussparungen der Europalette greift. Schwungvoll wendet er und steuert auf die Halle zu. Die ist so gebaut, dass Lkw direkt dort andocken und ausladen können. Lkw fährt hier aber niemand. Selbst die Lieferwagen der Spedition werden kaum noch voll. Noch vor ein paar Jahren sei das anders gewesen, sagt Marko. Ein Kollegen neben ihm nickt und macht eine Was-soll-man machen-Geste mit der Hand. Die Leute lesen nur noch digital, sagt er.

Einpacken, losfahren: Marko Huhn liebt seinen Job als Fahrer

Einige Männer hüten bereits ihre Palette in der Halle. Manchmal kriegen sie Zeitungen von dem Mann an der Rampe zugeteilt. Es läuft Radiomusik, die Stimmung ist geschäftig, aber ruhig. Kaum jemand redet, obwohl sich alle zu kennen scheinen. Ist die Sortierung abgeschlossen, wandert die Palette wieder ins Auto. Der Mensch hinterher. Verschwindet in die Nacht. Marko zeigt auf einen Mann mit langem weißem Bart. In einer Ecke sitzt er auf seiner Palette, wartet auch. „Er muss schon weit über 80 sein. Seit ich angefangen habe, ist er hier.“ Marko raucht noch eine, drückt die Kippa aus und fährt wieder los.

Noch einer, der immer noch arbeitet, ist Helmut Brandt. Er liefert die taz und auch andere Zeitungen nach Frankfurt (Oder). Er hat einen Traum: Am liebsten würde er mit seiner in einer 400-Seelen-Gemeinde in Schleswig-Holstein leben, in seiner Heimat. Er würde Motorrad fahren, weil ihm das Freude macht.

In der Realität steht Brandt pünktlich um 20.45 Uhr auf dem asphaltierten Betriebsgelände in Berlin-Staaken. In seinem Wagen wabert Antenne Brandenburg durch Zigarettenschwaden. Der schmächtige Mann trägt eine enge, weiße Fleecejacke, Jeans und Sportschuhe. Helmut Brandt wird dieses Jahr 77 Jahre alt. Es ist sein zweiter Job an diesem Tag. „Autofahren ist das einzige, das ich gesundheitlich noch machen kann“, sagt er. Seine Frau wartet zu Hause in Lichtenberg auf ihn. Sie ist schwer krank. Beide bekommen eine niedrige Rente. Anstatt in den Sternenhimmel von Schleswig-Holstein zu schauen, wird er Zeitungen nach Brandenburg fahren.

Letzter Halt Groß Lindow: Zustellerin Andrea Piechulek hat geliefert

Der Gabelstaplerfahrer zeigt wieder sein Können. Mitten auf dem Platz Brandt nimmt Kurs auf Frankfurt (Oder). Ist er sauer auf den Staat, die Politik oder sich selbst wegen seiner Situation? „Ich habe mir das selbst zuzuschreiben“, sagt er und gibt Gas. Helmut Brandt hat lange nicht in die Rentenversicherung eingezahlt. „Auf den Staat bin ich nur sauer, weil der es immer noch nicht geschafft hat, Frauen und Männer gleich zu bezahlen. Das kann doch nicht sein. Frauen leisten doch viel mehr als wir Männer.“ Danach schweigt er, zündet sich eine Zigarette an. Alle paar Minuten piept Google Maps irgendwelche Warnungen aus: Baustelle, Tempovorgabe, Blitzer.

In Frankfurt (Oder) sind kurz nach 22 Uhr bereits die Bordsteine hochgeklappt. Nur der weiße Lieferwagen schlängelt sich durch die Straßen. Brandt fährt auf das Betriebsgelände der MOZ und öffnet das Heck. Routiniert beginnt ein Mitarbeiter direkt mit dem Ausladen. Da ist Helmut Brandt gedanklich schon zu Hause und im Bett.

Es werde taz: Die fertige Ausgabe vom 26. 3. 2025

Drinnen bei der Märkischen Oderzeitung hingegen steppt der Bär. Etwa zehn Menschen verpacken die MOZ, verteilen sie auf verschiedene Paletten. Auch die taz von Helmut Brandt wartet bis sie abgeholt wird. Die Stimmung ist hart aber herzlich. Anstatt diskreter Höflichkeiten gibt es permanent Breitseite. Ein Fahrer hat sich ein vierrädriges Wägelchen gekrallt und versucht damit Skateboard zu fahren. Einer tritt an einen Gabelstapler und drückt auf die Hupe, einfach aus Spaß. Der Versandleiter stürmt aus seinem Büro und schreit ihn an: „Arbeitslos!“ Alle kichern.

Wenn jemand Neues ankommt, ist eine gängige Begrüßung: „Wat willst du denn hier?“ Der Versandleiter raunzt einen Mitarbeiter vor versammelter Mannschaft an, offenbar fehlen Zeitungen. Nix mit zur Seite nehmen und diplomatisch unter vier Augen klären. Ziemlich laut sagt er: „Wenn etwas fehlt, dann musste mir das sagen.“ Der andere schaut nach unten, antwortet: „Ja“. Tippelt von einem Bein aufs andere.

Eine Gruppe ukrainischer Frauen macht derweil Pause auf einer Palette. Es ist weit nach Mitternacht. Manche gönnen sich Suppe oder Kaffee für 50 Cent aus dem Automaten. Die meisten, die hier arbeiten, tun das schon sehr lange, sagt einer. „Wir lieben den Job.“ Nach einer Weile kommt ein Mann Anfang 50 mit seiner Ameise (eine Art mechanischer Gabelstapler) um die Ecke und fragt den Journalisten: „Na, wer hat Sie denn vergessen?“ Wie sich herausstellt, heißt er Mario Knappe. Er soll die taz und damit auch den zugehörigen Journalisten auf den letzten Metern nach Brieskow-Finkenheerd mitnehmen. Schön, dass man offensichtlich noch gefunden wurde.

Nachts auf der Carrerabahn: In der Druckerei Wittenburg in Mecklenburg-Vorpommern beginnt die Reise der Papier-taz

Die letzte Tour beginnt um 1 Uhr nachts und dauert nur 15 Minuten. Knappe sagt, für ihn läuft das Geschäft nicht mehr so wie früher. Er ist seit 23 Jahren dabei, hat seine eigene Firma aufgebaut. Auch in seinen Autos landen immer weniger Zeitungen. Trotzdem sorgt er sich nicht. Wenn es keine Zeitungen mehr gibt, liefert er etwas anderes aus. Jetzt lenkt den Transporter in eine Wohnstraße. Da wartet schon Andrea Piechulek, die Zustellerin, auf ihn. Knappe steigt aus und verpasst ihr einen Kuss auf die Wange. Piechulek gluckst zufrieden.

Dann beginnt sie, die Zeitungen umzuladen. Sie mag diesen Job. „Dit macht Spaß. Keiner sagt mir, wie ich meine Tour machen soll. Ich könnte laufen oder Rad fahren.“ Aber hier durch die Walachei? Nee, da fährt sie lieber Auto. Sie könne davon auch leben, sagt sie. Jetzt sind es nur noch wenige Meter zum einzigen taz-Leser im Bezirk. Um 2 Uhr nachts steckt Andrea Piechulek schließlich die Zeitung in den Kasten. Der Abonnent liest die taz schon seit Jahren. Aber die Rente reicht nicht. Zum Ende der Woche hat der 90-Jährige sein Abo gekündigt. „Das sind noch mal 300 Mark im Jahr, die habe ich einfach nicht.“

Die Menschen zwischen Redaktion und Briefkasten schlagen sich die Nacht um die Ohren. Sie arbeiten als kleine Rädchen im Getriebe, zuverlässig, engagiert und für wenig Geld. Sie sind wichtig. Für Piechulek, Knappe, Brandt, Huhn und Huster ist es wieder eine Zeitung weniger, die sie drucken, transportieren oder ausliefern. Zumindest werktags.

Unter diesem Motto schreiben wir in Reportagen und einer Kolumne ab jetzt auf, was uns bis zum Ende der gedruckten Werktagstaz erinnernswert scheint: Viel Holz also noch bis zum 17. Oktober, alle Zukunfts­infos unter: taz.de/­seitenwende​

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