Neuer Roman von Jakob Hein: Kein Diktatürchen
Hanfhandel an der innerdeutschen Grenze: Jakob Heins neuer Roman ist ein schönes Beispiel für kritische Ostalgie.
Endlich wissen wir es also. Es war viel gerätselt worden, was den bayerischen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß 1983 dazu bewogen haben mag, der DDR einen Milliardenkredit zuzuschanzen. Jakob Hein erzählt die irre Geschichte in seinem neuen Roman. Schade eigentlich, dass es so gekommen ist, mag sich bei der Lektüre manch Alt-Hippie denken, der sein Leben lang für den guten Schwarzen Afghanen klandestine Deals mit mehr oder weniger finsteren Gestalten hat abschließen müssen.
Aber die BRD hat damals alles getan, um zu verhindern, dass die DDR den dort so bezeichneten Medizinalhanf legal an Verkaufsstellen entlang der innerdeutschen Grenze vertickte. Was hat die DDR getan? Ja, sie hat Cannabis vertickt. So steht es bei Hein im Roman.
Jakob Hein: „Wie Grischa mit einer verwegenen Idee beinahe den Weltfrieden auslöste“. Galiani Verlag, Berlin 2025, 256 Seiten, 23 Euro
Ein kreuzbraver Mustersozialist langweilt sich in seiner Behörde schier zu Tode, ist er doch für den Außenhandel mit Afghanistan zuständig, dem Staat, der damals unter der Kuratel der Sowjetunion stand. Als er überlegt, was das Land zu bieten hat, fällt ihm nicht viel ein, nur eins: Medizinalhanf.
Die taz ist bei der Leipziger Buchmesse vom 27. bis 30. März mit einem eigenen Stand vor Ort in Halle 5, Stand G500. Dort werden auch wieder in zahlreichen Talks taz-Autor:innen lesen und diskutieren. Die taz Talks werden auf dem youtube-Kanal der taz live gestreamt. Zur Buchmesse erscheint am 27. März auch wieder die literataz, eine taz mit 12 Extraseiten. Die vergangenen Ausgaben können Sie hier downloaden.
Unser Programm
🐾 Donnerstag 27.03.25
11:00 Uhr: „Post-“ – Nachruf auf eine Vorsilbe – Dieter Thomä
11:45 Uhr: Lauf, Mama, Lauf! – Mareike Barmeyer
12:30 Uhr: Als wäre es vorbei – Katja Petrowskaja
13:15 Uhr: Macht im Umbruch – Herfried Münkler
14:00 Uhr: Zuhause ist das Wetter unzuverlässig – Carolin Würfel
14:45 Uhr: Das Deutsche Demokratische Reich – Volker Weiß
15:30 Uhr: Ginsterburg – Arno Frank
16:15 Uhr: Klapper – Kurt Prödel
19:00 Uhr @Galerie KUB: Was wäre, wenn wir mutig sind – Luisa Neubauer
🐾 Freitag 28.03.25
11:00 Uhr: Trotteln – Robert Seethaler, Rattelschneck
11:45 Uhr: Fischtage – Charlotte Brandi
12:30 Uhr: Russische Spezialitäten – Dmitrij Kapitelman
13:15 Uhr: Schwebende Lasten – Annett Gröschner
14:00 Uhr: Oh! Dalmatien – Doris Akrap
14:45 Uhr: Reise in die Mediengesellschaft USA – Julia Belzig
15:30 Uhr: Meine Sonnenallee – Jan Feddersen
16:15 Uhr: Digitale Diagnosen – Laura Wiesböck
17:00 Uhr: Traumaland – Asal Dardan
🐾 Samstag, 29.03.2025
10:15 Uhr: Edition Le Monde diplomatique: Indien – Modi und die Farbe der Macht – Sven Hansen, Jakob Farah
11:00 Uhr: Pazifismus, ein Irrweg? – Pascal Beucker
11:45 Uhr: Kipppunkte – Georg Diez
12:30 Uhr: Zuhören – Bernhard Pörksen
13:15 Uhr: Die dunkle Seite der Sprache – Tim Henning, Nikola Kompa, Christian Nimtz
14:00 Uhr: Norwegen, wir kommen auf Umwegen! – Wahrheitsklub mit Harriet Wolff, Andreas Rüttenauer, Rattelschneck aka Marcus Weimer, LAMINATOR
14:45 Uhr: Die Spree – Uwe Rada
15:30 Uhr: Der 7. Oktober und der Krieg in Gaza – Muriel Asseburg
16:15 Uhr: Autoritäre Rebellion – Andreas Speit
17:00 Uhr: Frau Zilius legt ihr erstes Ei an einem Donnerstag –Friederike Gräff
🐾 Sonntag, 30.03.2025
10:00 – 13:00 Uhr: Hilfe in Sachen ePaper und Abo – taz Seitenwende
14:00 Uhr: Wruuum! Crash! Boom! – Comicworkshop mit Michel Esselbrügge
Und so kommt der biedere Jungkader auf die Idee, die einem eigentlich nur kommen kann, wenn einem Hanf das Hirn auf angenehmste Weise vernebelt hat. Bald sitzt er im Kiosk an der GÜSt, der Grenzübergangsstelle, in Berlin und kassiert für den reinsten Stoff Devisen, die sein Staat so dringend zum Überleben braucht. Verrückt!
Kein Schelmenstück
Keine Angst! Ein Schelmenstück über die DDR als drolliges Diktatürchen ist Heins Roman nicht. Der geschmacklose Gefangegenhandel, der Westgeld in die Ostkassen gespült hat, wird ebenso benannt wie das willkürliche Verteilen des Privilegs von Reisen ins Nichtsozialistische Wirtschaftsgebiet. Schließlich kommt es zum Milliardengeschäft mit der teilkorrupten BRD, in deren Ministerien übrigens auch nicht mehr gearbeitet wird als drüben.
Das ist das Schönste an dem Buch, dass es den miesen Mastfleischdeal mit der DDR, den Franz Josef Strauß für seinen Spezi Josef März eingefädelt hatte, Erwähnung findet. Viel musste Hein also gar nichts dazuerfinden für sein deutsch-deutsches Possenspiel. Gut, dass er es getan hat. So ist seine Geschichte ein schönes Beispiel für kritische Ostalgie mit einer fast schon liebevollen Warnung vor dem Westen.
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