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Krieg im GazastreifenDie Positionen sind unvereinbar

Der Krieg ist zurück in Gaza. Die Hamas will ihre Terrorherrschaft aufrechterhalten, Israel will das nicht mehr akzeptieren.

Auf der Flucht nach der Ankündigung eines israelischen Luftangriffs Foto: Abd Elhkeem Khaled/ap

Berlin taz | Der Krieg ist zurückgekehrt in den Gazastreifen – mit Luftangriffen, Bodentruppen und Anordnungen zur Evakuierung, die das israelische Militär an die Bewohnerinnen und Bewohner per X und Telegram versendet. Was will Israels Premier Benjamin Netanjahu damit nun erreichen, fragen sich viele. Die ausgerufenen Kriegsziele – Befreiung der Geiseln, Zerstörung der Hamas – wohl kaum: Konnte das Militär doch in den vergangenen fünfzehn Monaten Kampf vor Beginn der temporären Waffenruhe nur wenige Geiseln befreien.

Stattdessen entließ der Internationale Strafgerichtshof aufgrund der Brutalität ihrer Kriegsführung gegen Netanjahu und Ex-Verteidigungsminister Joaw Gallant Haftbefehle.

Netanjahu erreichte mit dem Beginn des Krieges die Rettung seiner Regierung und seiner Machtposition. Zwei innenpolitische Probleme bedrängten Netanjahu jüngst: Da ist einmal die Verabschiedung des Haushaltes. Netanjahus ultraorthodoxe Koalitionspartner hatten gedroht, dem Budget nicht zuzustimmen, sollte nicht eine Regelung gefunden werden, die ihnen weiterhin erlaubt, sich dem Militärdienst zu entziehen.

Weil die Partei des rechtsextremen Polizeiministers Itamar Ben Gvir im Januar aus Protest gegen den Geiseldeal die Regierungskoalition verlassen hatte, hätten Netanjahu in diesem Fall entscheidende Stimmen zur Mehrheit für das Budget gefehlt.

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Nun ist Ben Gvir – in Zustimmung mit der Wiederaufnahme des Krieges im Gaza­streifen – wieder in die Regierung eingetreten. Selbst wenn die Ultraorthodoxen gegen den Haushalt stimmten, blieben Netanjahu genug Stimmen für seine Durchsetzung. Wäre der Haushalt gekippt, hätte sich damit auch die Regierung aufgelöst. Das wird nun voraussichtlich nicht eintreten.

Kämpfe gegen die Justiz

Problemkomplex Nummer Zwei: Netanjahu und seine Verbündeten fechten gleich mehrere Kämpfe gegen die Justiz aus. Die kritische Generalstaatsanwältin Gali Baharav-Miara soll gefeuert werden. Geheimdienstchef Ronen Bar ist es bereits. Dessen Behörde lancierte jüngst eine Untersuchung von engen Netanjahu-Verbündeten ob ihrer Verbindungen zum Golfstaat Katar. Eli Feldstein, Mitarbeiter im Büro des Premiers, soll Gelder aus Doha erhalten haben, während er für Netanjahu arbeitete.

Das Vorgehen gegen die beiden sorgt für Proteste in Israel – aus der linksliberalen wie konservativ-rechten Opposition und auf den Straßen. Die Polizei geht brutal gegen sie vor, trotzdem halten sie an. Gegen den Premier selbst laufen außerdem drei Korruptionsverfahren. Dabei muss er auch aussagen – und die Anhörung am Dienstag, dem Tag des erneuten Kriegsbeginns, wurde sofort abgesagt.

Alles wieder gut also für Netanjahu. Für die Geiseln, die Menschen in Gaza, die Verhandlungen um einen Geisel-Waffenruhe-Deal umso weniger. Darüber hinaus sind über den erneuten Kriegsbeginn nicht alle überrascht. Seth Frantzman, Militäranalyst bei der Jerusalem Post, schrieb etwa auf X: Der Geisel-Waffenruhe-Deal sei in mehrere Phasen strukturiert gewesen und habe damit den Verhandlungsparteien ermöglicht, den Deal zum Ende der ersten Phase hin zu verlassen. Israel habe von Anfang an erklärt, dass es keine zweite Phase wolle.

In dieser hätte nämlich eine Lösung für die Kontrolle des Gazastreifens nach dem Ende des Krieges angestanden – und die Positionen der Hamas und Israels sind unvereinbar: Die Miliz will präsent bleiben, lehnt eine Entwaffnung und einen Auszug aus dem Gebiet offiziell ab. Israel wiederum will keine Präsenz der Hamas dort mehr akzeptieren.

Hamas hat die Reihen ihrer Kämpfer aufgefüllt

Frantzman kritisiert gleichzeitig das Vorgehen Israels: Was könne der Staat nun mit Militärgewalt erreichen, was er in den vergangenen fünfzehn Monaten nicht habe erreichen können? Tatsächlich hat sich an den Rahmenbedingungen nur die Rolle der USA geändert: US-Präsident Donald Trump steht nach eigener Aussagen hinter Netanjahu und dem erneuten Kriegsbeginn. Auch unter Ex-Präsident Joe Biden zurückgehaltene Sprengkörper haben die USA nun an Israel freigegeben.

Es bleibt unrealistisch, dass Israel die in Gaza verbliebenen 24 lebendigen Geiseln so befreien wird. Und ebenso, dass die Hamas so doch zur Kapitulation gezwungen werden kann. Sie hat die Reihen ihrer Kämpfer aufgefüllt, junge Männer und Jugendliche rekrutiert. Der Krieg ist zurück, eine Lösung so fern wie je.

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