: Als die taz das Internet erfand
Zugegeben, das World Wide Web hat die taz nicht erfunden. Aber vor 30 Jahren ging das linke Tageszeitungsprojekt als erste Zeitung Deutschlands im damals noch völlig neuen Internet online

Von Ann-Kathrin Liedtke
Als erste überregionale Tageszeitung ist die taz im Internet zu lesen. Also weg vom Frühstückstisch an den Computer, eingeklinkt und los geht’s…“ Mit diesen Worten wurde am 12. Mai 1995 die „digiTaz“ angekündigt. Doch war das zu dem Zeitpunkt gar keine Neuigkeit mehr – die taz war bereits seit 54 Tagen online.
„Der Artikel kam eigentlich viel zu spät, darüber habe ich mich damals echt geärgert“, erzählt der heutige taz-App-Entwickler und Mit-Erfinder der digitalen taz Ralf Klever in einem Interview anlässlich des taz-de-Relaunchs im Oktober 2024.
„Dann fand eine Tagung wissenschaftlicher Dokumentare statt, die ihre Systeme vorgestellt haben – und auf der Fahrt dahin hörte ich im Radio, die Schweriner Volkszeitung sei die erste deutsche Tageszeitung im Internet“, erinnert sich Klever. „Da bin ich beinahe ausgeflippt.“
Seit 29 Jahren feiern wir den Geburtstag der digiTaz, der taz im Netz. Am 12. Mai, dem 30. Geburtstag, wollen wir nun endlich am richtigen Tag feiern. Denn der Blick in die taz-Geschichtsbücher zeigt: Bereits am 20. März 1995 wurde die digiTaz auf einer WWW-Tagung im hessischen Darmstadt vorgestellt. Damit hatte die taz tatsächlich die Nase vor der Schweriner Volkszeitung, die am 9. Mai 1995 online ging. In den darauffolgenden Jahren wurden die Artikel aus der gedruckten Ausgabe automatisch und ohne weitere redaktionelle Bearbeitung online gestellt. 2007 gründete die taz dann schließlich eine eigene Online-Redaktion.
Seither wuchs die taz im Netz beständig. Inhaltlich entstanden spezielle Online-Formate, aufwändig erstellte Infografiken, Liveticker und Bildergalerien – und inzwischen erweitern längst auch Videos und Podcasts das Online-Angebot der taz. Das alles schlägt sich auch in der Reichweite nieder: Waren es im Mai 1995 3.800 User:innen, die die taz im Internet lasen, sind es heute mehrere Millionen pro Monat. Und nicht nur inhaltlich wandelte sich taz.de im Laufe der Jahre.
Seh- und Lesegewohnheiten ändern sich ständig – im Netz besonders schnell. 2013 kam so der erste große Relaunch, bei dem auch der Verlag der taz sichtbar gemacht wurde: Genossenschaft, Panter Stiftung und Co. sollten zeigen, was das linke Tageszeitungsprojekt neben unabhängigem Journalismus noch alles zu bieten hat. Zehn Jahre dauerte es dann, bis der nächste umfassende Relaunch anstand. Nachdem 2023 zunächst die Verlagsseiten visuell und technisch komplett erneuert wurden, folgten im Oktober 2024 die redaktionellen Seiten. Die Website der taz erstrahlt seither runderneuert mit neuen Schriften, neuer Bildsprache und neuem Seitenaufbau. Insbesondere Funktionalität, Übersichtlichkeit und Nutzer:innenführung wurden durch das neue Design entscheidend verbessert.
Ein wichtiger Schritt in der taz-Geschichte, denn ab Herbst 2025 wird die taz werktags nur noch digital auf der Website, in der App und im ePaper erscheinen; die Wochenzeitung wochentaz wird dann unser zentrales Printprodukt sein.
Einen der entscheidenden Bausteine bei dieser digitalen Transformation bildet das solidarische Onlinebezahlmodell „taz zahl ich“. Bis heute sind alle Inhalte auf taz.de kostenfrei zugänglich: Statt einer Paywall setzen wir auf eine „Paywahl“. Wer will, kann dafür einen freiwilligen Beitrag leisten, aber niemand muss. Wer sich kein Abo leisten kann, wird nicht von unabhängigem Journalismus ausgeschlossen – gelebte Solidarität und eine tiefe Überzeugung der taz.
„Die digiTaz ist ein Experiment, ein Teil des Stocherns in den Möglichkeiten des prinzipiell nicht hierarchischen Internets“, meinte ein taz-Kollege noch 1995. 30 Jahre später bilanziert Katrin Gottschalk, aktuelle Vize-Chefredakteurin der taz: „Die taz ist die wichtigste linke, progressive Stimme im deutschsprachigen Netz.“ Wir haben also allen Grund zu feiern.
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