: Mehr Abschiebungen in die Türkei
Neue Zahlen der Bundesregierung zeigen: Deutschland schiebt vor allem Kurd*innen in die Türkei ab. Die Linkenabgeordnete Clara Bünger hält diese Praxis für unverantwortlich
Von Sarah Schubert
Trotz der sich verschlechternden Menschenrechtslage in der Türkei schiebt Deutschland immer mehr Menschen dorthin ab. Das zeigt die Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linken-Abgeordneten Clara Bünger, die der taz vorliegt. Besonders betroffen sind demnach kurdischstämmige Asylsuchende. Da ihnen in der Türkei politische Verfolgung droht, fordert Bünger ein Ende dieser Praxis: „Mit wertegeleiteter Politik hat das nicht das Geringste zu tun.“
Ähnlich kritisch sieht Bünger auch die Entwicklung der Asylentscheidungen beim Herkunftsland Türkei. Nach Angabe der Bundesregierung ist der Anteil der positiven Asylentscheidungen bei Asylsuchenden aus der Türkei von 35,2 Prozent im Jahr 2022 auf 9,4 Prozent im Jahr 2024 gesunken. Die Zahl der vollzogenen Abschiebungen in die Türkei hingegen stieg von 875 im Jahr 2023 auf 1.087 im Jahr 2024. Im vergangenen Jahr war etwa ein Drittel der Asylsuchenden aus der Türkei minderjährig. Über 70 Prozent waren kurdischstämmig. Auf Büngers Frage nach dem Verbleib der abgeschobenen Personen gibt die Bundesregierung an, ihr würden „keine generellen Erkenntnisse“ dazu vorliegen.
Hintergrund der Anfrage war ein Gutachten zur Lage der Justiz in der Türkei, das von Pro Asyl in Auftrag gegeben und im September 2024 veröffentlicht wurde. Daraus geht hervor, dass die Türkei „Mittel der Strafverfolgung dazu einsetzt, der Regierung unliebsames politisches Handeln zu verhindern“. Entsprechende Strafverfahren gegen Betroffene verliefen „nicht rechtsstaatlich“. Kurd*innen seien dabei „insgesamt mit einem höheren Risiko als andere Gruppen konfrontiert“, heißt es in dem Gutachten.
Ebenfalls im September 2024 berichteten Medien über eine sogenannte „Abschiebeoffensive“ in die Türkei. Den Berichten zufolge hatte sich die Bundesregierung nach monatelangen Verhandlungen mit der türkischen Regierung darauf geeinigt, türkische Asylsuchende in großem Stil in ihr Heimatland abzuschieben. Die Türkei hätte sich zudem bereit erklärt, bis zu 500 Staatsbürger*innen pro Woche zurückzunehmen.
Der aktuelle Trend der Asylentscheidungen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bamf) bestätigt: Asylsuchende können sich trotz einer scheinbar aus Willkür handelnden Justiz und der Gefahr politischer Verfolgung in ihrem Heimatland immer weniger auf Schutz in Deutschland verlassen. Das Handeln der Bundesregierung steht somit im Widerspruch zu aktuellen Entwicklungen in der Türkei. Bünger verlangt von der Bundesregierung, „dass das Bamf seine Praxis ändert und Verfolgten aus der Türkei Schutz gewährt“.
In ihrer Antwort gibt die Bundesregierung zudem an, dass sie mit dem von Pro Asyl herausgegebenen Gutachten zur Lage der Justiz in der Türkei vertraut sei. Dessen Ergebnisse würden in die „Beurteilung der asyl- und abschieberelevanten Lage einfließen“. Die sich zuspitzende Menschenrechtslage in der Türkei ist der Bundesregierung also durchaus bewusst.
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