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Archiv-Artikel

Regatta der Katamarane

Formel 1 auf dem Wasser: Simone Schuft aus Neuss ist Rennboot-Sportlerin. Die 30-jährige lebt sich nach Rafting, Canyoning und Paragliding jetzt bei riskanten Fahrten mit dem Powerboat aus

„Der Horizont verschwand. Ich wurde aus dem Boot geschleudert.“

AUS NEUSSLUTZ DEBUS

Fünf rote Ampeln leuchten. Eine nach der anderen erlischt. Dann einige Augenblicke gespannte Stille am Flussufer. Hunderte von Zuschauern halten regelmäßig den Atem an bis Grün kommt. Zwölf Rennboote werden gestartet, jagen los. Mit bis zu 105 Stundenkilometern fliegen die Katamarane fast über das Wasser. Nur das Heck taucht ein. Jeweils zwei Bojen müssen umrundet werden. Nach acht Runden von jeweils 1,5 Kilometer Länge steht der Sieger fest.

Oder die Siegerin. Simone Schuft aus Neuss fährt bereits ihre dritte Saison und will in diesem Jahr schnellste Frau auf dem Wasser werden. Mit ihrem knallgelben Rennboot, das aussieht wie ein Formel-I-Rennwagen ohne Räder, startet die Dreißigjährige für den ADAC Thüringen-Hessen. In Stralsund und in Berlin, auf Rhein, Mosel und Neckar und im September auf der Ruderregattastrecke in Duisburg. Auch an internationalen Rennen nimmt sie teil, in den Niederlanden, in Dänemark und Polen.

Fast jedes Wochenende ist sie für ihren Sport unterwegs. Unter der Woche arbeitet die ehemalige Unternehmensberaterin in der Marketing-Abteilung eines großen Chemiekonzerns. In ihrem Rennsport sieht sie die Chance, ihr tatsächliches Temperament auszuleben. Betriebswirtschaft biete ihr diese Möglichkeit nicht. Vieles habe sie schon probiert: Rafting, Canyoning, Paragliding. Zufällig kam sie bei einem Wochenendausflug an einer Rennstrecke vorbei, hielt voller Neugier an. „Natürlich ist auch ein bisschen Gefahr dabei. Aber das macht ja den Reiz aus.“ Zwei Boote mit Rettungstauchern seien bei jedem Rennen auf dem Wasser, zwei Notarztwagen am Ufer. Die Fahrer tragen Helme, Schwimmwesten und Anzüge aus schnittfestem Material. „Falls man mal in die Propellerschraube kommt.“

Gerade bei ihrem zweiten Start überschlug sich Simone Schuft. „Auf einmal verschwand der Horizont. Ich wurde aus dem Boot geschleudert.“ Sperrholz splitterte. Die Fahrerin aber kam mit Prellungen und einer Gehirnerschütterung davon. Ihr Vater, der sie als Helfer bei jedem Wochenende begleitet, war entsetzt. Aber am nächsten Tag war sie wieder dabei. Seit dem Überschlag fühle sie sich paradoxerweise sicherer. „So schlimm war das gar nicht“, lächelt Simone Schuft etwas verlegen. Der vor jeder Saison obligatorische „Turtletest“ im Hallenbad, bei dem sie an einem Metallgerüst jenen Überschlag übe, sei viel furchteinflößender.

Der Formel-1-Zirkus auf dem Asphalt ist nach wie vor Männerdomäne. Aber auf dem Wasser gibt es, zumindest in der Klasse, in der Simone Schuft fährt, genau so viele Rennfahrerinnen. Viele starten, weil ihre Väter, Onkel oder Brüder schon gefahren sind oder noch fahren. Simone Schuft ist als Quereinsteigerin eher die Ausnahme. Und während andere von ihren beruflichen Fähigkeiten als KFZ-Mechaniker profitieren können, muss Simone Schuft am Sonntag die ölverschmierten Hände wieder chefetagenkompatibel säubern.

Drei Mal in der Woche geht die Neusserin zum Krafttraining, drei Mal zum Konditionstraining. „Zum Auto- oder Bootfahren braucht man doch keine Muskeln.“ Solche Sprüche hört die Rennfahrerin oft und nicht gern. Besonders Nacken- und Armmuskulatur werden bei den Rennen sehr beansprucht. Und durch die Anstrengung und Aufregung gehe der Puls schon mal auf 200. Da sei eine gute Kondition allemal gefragt. Als Kämpferin für Frauenemanzipation sieht sie sich aber nicht. Sie will den Männern nicht zeigen, dass sie als Frau schneller und stärker ist: „Als Kind habe ich mit Puppen und mit Rennautos gespielt!“