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Was bisher geschahBetontraum

Von Derya Türkmen

Der Februar in Berlin bringt nicht nur Minusgrade, sondern auch die Berlinale mit sich. Dieses Jahr markiert das 75-jährige Jubiläum des Festivals, das Berlins Ruf als Filmmetropole prägt. Der rote Teppich vor dem Berlinale Palast ist ausgerollt und verleiht dem Potsdamer Platz für kurze Zeit Glanz und Glamour. Während des Festivals wird der Berlinale Palast erneut zur Bühne für Schau­spie­le­r:in­nen und Re­gis­seu­r:in­nen aus aller Welt. Erwartet werden zahlreiche Hollywood-Stars, darunter Tilda Swinton, die zur Eröffnung mit dem Ehrenbären ausgezeichnet wurde, sowie Timothée Chalamet, Cate Blanchett und Michael Fassbender.

Einst als filmisches Epizentrum Berlins konzipiert, hat der Potsdamer Platz heute seine ursprüngliche Strahlkraft verloren. Das Arsenal-Kino, ein wichtiger Bestandteil der Berlinale für Arthouse-Filme, zieht in den Wedding. Auch das Sony Center, ursprünglich als glamouröser Veranstaltungsort für Filmvorführungen gedacht, wirkt heute wie ein Schatten seiner selbst. Der Platz, einst Herzstück des internationalen Filmgeschehens, hat sich zunehmend kommerzialisiert und ist heute eher ein Betonareal als ein Filmzentrum.

Doch der Potsdamer Platz war nicht immer das Zentrum der Berlinale, denn einige Monate vor der deutschen Wiedervereinigung, im Februar 1990, wurde die Berlinale erstmals zu einem Festival für ganz Berlin: Auch im Ostteil der Stadt liefen Filme des Programms. Mit dem Zusammenwachsen der beiden Berlins entstand eine neue Stadtmitte: der Potsdamer Platz. Dort fand die Berlinale erstmals im Jahr 2000 statt – mit neuem Hauptspielort für den Wettbewerb: dem Theater am Potsdamer Platz, das immer während des Filmfestivals zum Berlinale Palast wird.

Das Festival versucht, dem Niedergang der Filmkultur am Potsdamer Platz entgegenzuwirken. Ein Beispiel dafür ist die neue Debütfilm-Sektion „Perspectives“ unter der Leitung von Tricia Tuttle. Sie findet im Stage Bluemax Theater statt, das seit 20 Jahren als Bühne für die Blue Man Group dient. Wie gut dieser ungewöhnliche Raum für Kinoaufführungen geeignet ist, wird sich erst noch zeigen.

Trotz des Glanzes, der durch den roten Teppich und die prominente Gästeliste zurückkehrt, bleibt der Platz selbst ein nüchterner Betonraum. Während die umliegenden Cafés sich auf Festivalbesucher einstellen und die Preise steigen, beschränkt sich die wahre Magie des Festivals auf die Kinosäle. Ob der Potsdamer Platz jemals wieder Berlins Zentrum der Filmwelt oder sich das Geschehen in andere Teile Berlins verlagern wird, bleibt abzuwarten. Vielleicht macht gerade der Kontrast zwischen der glänzenden Fassade des Festivals und der Realität des Platzes seinen besonderen Charme aus.

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