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Tanz am Abgrund

Bremen war mal eine Tanzmetropole und das Festival „Tanz Bremen“ war eines ihrer Symbole. In den vergangenen Jahren konnte es nicht mehr in vollem Umfang stattfinden, nun droht das endgültige Aus. Die Stadt verweigert die notwendige Unterstützung

Tanz an Bremer Wänden: das Projekt „Digital Dialogues“ bei „Tanz Bremen“ 2022 Foto: Urbanscreen/Tanz Bremen

Von Jens Fischer

Das offizielle Online-Portal der Freien Hansestadt wirbt noch immer für „Tanz Bremen“ im längst vergangenen Jahr: „Das Datum für 2024 wird noch bekannt gegeben.“ Dabei konnte das Festival gar nicht stattfinden, weil die Stadt ihren finanziellen Beitrag nicht geleistet hat.

Und 2025? Das Festival sei „in Planung“ steht auf der Tanz-Bremen-Website. Stattfinden wird es aber nicht. Weil die Zusage für eine ausreichende Unterstützung durch die Stadt zurückgenommen wurde. Kulturstaatsrätin Carmen Emigholz fand das „schmerzlich, vor allem, weil wir die Mittel für die Festivals schon bereitgestellt hatten. Jedoch hat eine plötzlich notwendig gewordene Kürzungsrunde wegen fehlender Mittel im Sozialhaushalt zu diesem bedauerlichen Schritt geführt.“ Nur ist das schon die Regel. Von 2017 bis heute konnte Tanz Bremen nur einmal in vollem Umfang stattfinden. Ob es die Veranstaltung überhaupt noch gebe, wird die künstlerische Leiterin Sabine Gehm immer wieder gefragt. Und ob Bremen noch das sei, was das Stadtmarketing immer wieder gern behauptet: eine Tanzstadt.

Historisch gesehen stimmt das. Wirkten dort doch Koryphäen wie Gerhard Bohner, Hans Kresnik, Reinhild Hoffmann und Susanne Linke. Das Deutsche Tanzfilminstitut ist in Bremen angesiedelt und eine kleine freie Szene künstlerisch wie auch pädagogisch höchst virulent. Für all das war das Festival ein Symbol und Leuchtturmprojekt. Weil es inhaltlich dafür stand, dem lokalen Tanzgeschehen ein Forum zu bieten, mit Gastspielen aktuelle Tendenzen und ästhetische Entwicklungen der kinetischen Kunst zu präsentieren sowie Künst­le­r:in­nen in den Austausch zu bringen. Damit sei Tanz Bremen „eines der wichtigsten internationalen Tanzfestivals in Deutschland“, lobt weiterhin die Wirtschaftsförderung auf der Bremen-Website.

Woran hapert die Finanzierung des Festivals? Es hat einen Etat von 280.000 bis 320.000 Euro. Um bei Geld von Stiftungen, Sponsoren, Kulturinstitutionen, europäischen Fördertöpfen und Ministerien in Ländern der geladenen Künst­le­r:in­nen zu akquirieren, benötige es einen Sockelbetrag von 170.000 Euro, der von der Stadt kommen müsse, so Gehm. „Das ist das absolute Minimum.“

Bis 2022 konnte das Festival jedes Jahr verlässlich mit zumindest 30.000 Euro von der Stadt rechnen. Auch die Wirtschaftsförderung war Mitfinancier, halbierte aber von 2012 bis 2017 ihren Beitrag auf 80.000 und ließ dann von allen weiteren Zahlungen ab. Ein Verlust, der nie ausgeglichen werden konnte.

Tanz Bremen sei „eines der wichtigsten internationalen Tanzfestivals in Deutschland“, lobt die Wirtschafts­förderung auf der Bremen-Website

Ein Blick ins benachbarte Oldenburg zeigt, wie es auch funktionieren kann. Als „Balletttage“ gegründet, heute „Internationale Tanztage“ betitelt, sollte sich dort ein Veranstaltungsreigen als Spiegel des neoklassischen Tanzes Jahr für Jahr abwechseln mit „Tanz Bremen“ als Plattform für modernere Bewegungssprachen. In Oldenburg findet das Festival biennal statt, in Bremen diskontinuierlich bis gar nicht. Warum? In Oldenburg ist das Staatstheater der Veranstalter – und das Festival nutzt kostenlos dessen Infra­struktur und Bühnenräume. Die Aufwendungen gleichen denen in Bremen, bis zu 100.000 Euro kamen bisher aus dem Theateretat, 200.000 Euro von Kooperationspartnern und aus Ticketerlösen.

„Tanz Bremen entsprechend enger an das Theater Bremen anzubinden, ist nicht möglich. Wir können dafür keine Mittel aus dem laufenden Etat nehmen“, sagt Gregor Runge, Leiter der Tanzsparte. Es sei auch der falsche Weg, wenn das Stadttheater ein Festival übernehme, das 1988 aus der freien Szene heraus gegründet wurde und bis heute von einem Verein als freiem Veranstalter verantwortet wird.

Auch Unusual Symptoms, die Tanzcompagnie des Theater Bremen, war 2022 noch dabei Bremen Foto: Jörg Landsberg/Tanz

Da aber nicht nur das Publikum, auch die Tanzszene den Input des Festivals als Inspiration schätze, so Runge, würde man ihm gern wieder auf die Beine helfen. Diskutiert wird, Mitveranstalter zu werden und Ressourcen gemeinsam zu nutzen, die im Theater vorhanden sind. „Aber das allein wird das Festival nicht retten.“ Dafür braucht es die von Gehm bezifferte Unterstützung des Kulturressorts.

Dessen Pressesprecher Werner Wick sagt nur: Nach den Haushaltsverhandlungen im Sommer/Herbst 2025 wisse man mehr. Aber Zusagen müssten als Planungssicherheit in diesem Frühjahr für 2026 vorliegen, so Gehm. Um weltweit Compagnien einladen, Kooperationen organisieren und wie zuletzt die Hälfte des Etats selbst einwerben zu können, brauche es ein Jahr Vorlauf. „Gibt es eine Zuwendungszusage erst im Sommer/Herbst, fällt das Festival 2026 erneut aus“, sagt Gehm. Wie das konkret verhindert werden soll? Auf Nachfrage bestätigt Wick nur, dass das Kulturressort die Tanz-Bremen-Unterstützung für 2024 und 2025 auf exakt 0 Euro gesetzt hat. Das ist natürlich auch ein klares Statement. Und ein Armutszeugnis der Bremer Kulturpolitik.

Infos: tanz-bremen.com

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