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Archiv-Artikel

Eisberggroßes Kino

Lebensnah und todtraurig: Anke Engelkes und Olli Dittrichs sechstes „Blind Date“ (22.15 Uhr, ZDF)

Fast wäre man verzweifelt. Wegen der geballten Ladung Traurigkeit, die einem da 28 Minuten um die Ohren gehauen und auf die Augen gegeben wurde. Doch als das Tal immer tiefer zu werden schien, ist endlich Ruhe im Hotelbettchen, in das sich die beiden Protagonisten – Anke Engelke als Elke Falkenau und Olli Dittrich als ihr Gatte Udo Hedinger – nach einer Familienfeier selbst verklappt haben. Die Abspannmusik setzt ein, Françoise Hardy säuselt, so charmant wie wunderbar und wahr: „Frag den Abendwind / wo das Glück beginnt / aber frage nicht / woran es manchmal zerbricht.“ Für einen kurzen lichten Moment ist man erleichtert, lässt sich womöglich gar einlullen und sortiert den romantisierenden Kitsch des Sechzigerjahre-Schlagers als Belohnung für das Elend ein, das uns Anke Engelke und Olli Dittrich da justament kongenial vorgespielt haben.

„Tanzen verboten“ heißt die sechste Ausgabe von „Blind Date“, und im Gegensatz zu den vorangegangenen Folgen wussten Engelke und Dittrich diesmal, als was sie sich gegenübertreten: als Ehepaar, das zusammen eine Fahrschule führt. Ansonsten aber waren die Rahmenbedingen wie immer, kein Drehbuch, keine Themenabsprache, es regiert: die hohe Kunst der Improvisation. Und die beherrschen Engelke und Dittrich aus dem Effeff. Gegen die zwischenmenschlichen Vergletscherungen, die die beiden präsentieren, ist der Eisberg, der einst die „Titanic“ streifte, ein Klacks.

Vom Hölzchen aufs Stöckchen kommen Engelke und Dittrich, die anfängliche Kabbelei wächst sich zum handfesten, fiesen Streit aus, und sollten die beiden jemals zusammen Glück empfunden haben: Das Funkeln der Zweisamkeit ist gänzlich perdu, und auch ein mattes Schimmern ist selbst mit großem Wohlwollen nicht mehr zu entdecken; die beiden lieben sich nicht mehr, die bewohnen sich nur noch gegenseitig.

Sogar im Hotelzimmer.

Was es ebendort zu begucken gibt, ist durch die Bank bedrückend: wie sich Dittrich seiner Socken entledigt und diese dann quer übers Bett gen Boden wirft; der grotesk große Cremetopf, mit dessen Inhalt Engelke sich abschminkt und so der Realität ein desillusioniertes Gesicht gibt; die Respektlosigkeit, mit der Dittrich in Gegenwart seiner Gattin SMS an einen vermeintlichen „Tennisfreund“ schreibt und doch nur eine andere Frau im Kopf hat; die Art und Weise, wie Engelke ständig das ohnehin furchtbare Wort „zauberhaft“ überbetont – all das ist gleichermaßen grandios und tieftraurig. Und als sich im Laufe des Streits herauskristallisiert, dass die Kinderlosigkeit des Paares der wahre Knackpunkt ist, kann man nur noch konstatieren: ein Desaster, da kommt jede Hilfe zu spät.

„Ganz ehrlich“, bekennt Olli Dittrich auf der Pressekonferenz, „ich habe noch nie so ein Arschloch gespielt wie diesen Udo Hedinger“, und Anke Engelke berichtet, wie leer und „fix und foxi“ sie sich nach diesem Dreh gefühlt hat. Man kann das nicht nur nachvollziehen, man hat dafür allergrößtes Verständnis und zieht gleich mehrere Hüte für diese Sternstunde des Farbfernsehens. Und die Antwort, wie man zusammen nicht einsam und trotzdem glücklich bleibt, die kennt nicht einmal der Abendwind. MARTIN WEBER