: Vom türkischen Zoll aus dem Bett geholt
Mit dem Nachtzug kommt man bequem von Bulgarien nach Istanbul – wenn auch mit Unterbrechung
Von Nicola Mögel
In den Sommermonaten bis Anfang Oktober verbindet der Nachtzug Bosphorus Express täglich die rumänische Hauptstadt Bukarest mit Istanbul. Im Winterhalbjahr kommt der Nachtzug als Balkan Express von der bulgarischen Hauptstadt Sofia. Wer aus Norden, also Rumänien, kommt, steigt in Stara Zagora zu. Dort fährt der Nachtzug für die 320 Kilometer Strecke um 22.23 Uhr ab.
Nachtzüge sind eine umweltfreundliche Alternative zu vielen Flügen. Die taz stellt deshalb in loser Folge Verbindungen mit Schlaf- oder Liegewagen vor. Wir schreiben aber auch, was besser werden muss, damit sie für mehr Menschen attraktiver werden. Alle Folgen gibt es auf www.taz.de/nachtzugkritik.
Der Zug besteht aus einem Liegewagen der Bulgarischen Staatsbahn BDZ sowie je einem Liege- und Schlafwagen der Türkischen Staatsbahn TCDD. Am Schalter des Bahnhofs von Ruse, einer bulgarischen Grenzstadt an der Donau, bekommt man nur Tickets für die bulgarischen Wagen. 30 Euro pro Person kostet die Zugfahrt und 10 Euro ein Platz im Liegewagen. Die Karten für ein Zweierabteil im Schlafwagen verkauft der türkische Schaffner direkt am Waggon für 32 Euro in bar; die Liegewagentickets verfallen dann.
Der Bahnverkehr nach Istanbul ist aufgrund von Bauarbeiten eingeschränkt. Der alte Kopfbahnhof Sirkeci, zentral auf der europäischen Seite der türkischen Metropole gelegen, wurde wegen des Baus der neuen Marmaray-Metro geschlossen. Der Nachtzug fährt deshalb den Bahnhof Halkali an, der in einem westlichen Vorort der Stadt liegt. Mit der neuen Bahn kann man dann ins Stadtzentrum und unter dem Bosporus hindurch auf die asiatische Seite fahren. Die Chip-Fahrkarte gibt es an einem Automaten, der Kreditkarten akzeptiert. Die aufladbare ÖPNV-Karte gilt im gesamten Großraum bis zum Schwarzen Meer.
Der türkische Schlafwagen ist modern, äußerst komfortabel und gleitet sanft über die Schienen. Nur bei der Abfahrt in Stara Zagora rumpelt und holpert es noch eine Weile auf den unverschweißten Gleisen. Der Waggon wird von zwei türkisch sprechenden Schlafwagenschaffnern betreut, die uns auch über das Prozedere der Grenzkontrolle informieren. Die bulgarischen und türkischen Grenzkontrollen finden in den Bahnhöfen Svilengrad beziehungsweise Kapikule statt. An der bulgarischen Grenze läuft das Zollpersonal durch den Zug. Anders bei der türkischen Kontrolle: Alle Passagiere müssen mit dem gesamten Gepäck aussteigen. Rund 50 Menschen schleppen schlaftrunken ihr Gepäck 200 Meter zum Zoll, stellen sich geduldig in die Reihe zur Passkontrolle und wanken dann weiter zum Gepäck-Scanner. Die meisten Passagiere stammen aus der EU, Großbritannien, Australien oder den USA, während lediglich fünf von ihnen türkisch sprechen. In Erwartung des Schlimmsten sind wir erleichtert, als die Zollbeamten die in Hüllen verpackten Faltfahrräder ohne Kommentar durch das Röntgengerät lassen. Das Ganze dauert eine gute halbe Stunde. Während der Kontrolle wird die Diesel- durch eine Elektrolok getauscht. Für die Hungrigen gibt es einen Imbissstand, der auch um zwei Uhr nachts bereitwillig Snacks serviert.
Die vielen Baustellen führen dazu, dass wir statt um 6.30 Uhr erst gegen Mittag in Istanbul ankommen – den im Abteil bereitgestellten Imbiss aus Schokokeksen und Salzgebäck haben wir da natürlich längst gegessen. Das Schienennetz auf dem Balkan wird kontinuierlich ausgebaut und auch in der Türkei schreitet der Eisenbahnbau voran. Mit etwas Abenteuergeist ist die Nachtzugfahrt nach Istanbul und gerne auch weiter gen Osten zum Beispiel in die Nähe der persischen (Zielbahnhof: Tatvan) oder georgischen Grenze (Kars) daher eine klare Empfehlung.
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