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Take it easy, neues Haus

Nur drei Jahre alt ist das „Kunsthaus Göttingen“ geworden: Von März 2021 an hatte es eine Lücke im Kulturleben der Stadt geschlossen. Beim Versuch, das Haus noch zu retten, haben ihre Koalitionspartner CDU und FDP Oberbürgermeisterin Petra Broistedt (SPD) brüskiert

Das war 2022: Verleger Gerhard Steidl und Kuratorin Ute Eskildsen bei einer Ausstellungs-Führung im Kunsthaus Foto: Swen Pförtner/dpa

Von Bettina Maria Brosowsky

Nun ist es also geschlossen, das Personal entlassen: Das Kunsthaus Göttingen in der Düsteren Straße 7 ist abgewickelt. Der Grund: Insolvenz. Zuletzt hat man noch die Website samt ihrem Archiv vom Netz genommen. Das dokumentiert die 15 Ausstellungen internationaler Künstler:innen, die hier gezeigt wurden, seit die Institution im März 2021 ihre Tore eröffnet hat, damals, als Alpha die vorherrschende Variante des Corona-Virus in Deutschland gewesen war.

Das Kunsthaus für Arbeiten auf Papier, Fotografie und neue Medien – eine Tochtergesellschaft der Stadt – war mit dem Auftrag an den Start gegangen, als neuer überregionaler Kunstanker zu dienen – und als Ort für Austausch, Vermittlung und Lernen. Insgesamt 35.000 Besucher:innen, viele von auswärts angereist, sahen seitdem Kunst von Roni Horn, William Kentridge oder einen eigenen Pavillon des US-Amerikaners Jim Dine im Garten, konnten in fantastische Videoinstallationen von Mona Kuhn oder der jungen Litauerin Emilija Škarnulytė eintauchen.

Der Eintritt blieb dank Sponsoring stets frei. Das Team des Kunsthauses veranstaltete zudem 2022 Parallelaktionen zur „documenta fifteen“ in Kassel, ließ etwa in einem morbiden Fachwerkhaus, ein paar Schritte entfernt, bunt florale Malerei von Jim Dine im Sommerwind flattern.

Die Kunstkritik lobte solch Wirken. Vor Ort hatte es aber auch Vorbehalte gegeben. Zu elitär sei das Ganze, hieß es, zudem dominiert vom Göttinger Verleger edler Kunst- und Fotografiebände, Gerhard Steidl. Ohne dessen jahrzehntelanges Beharren wäre das Haus tatsächlich nie zustande gekommen. Er wirkte, kraft seiner Kontakte in die große Kunstwelt, weiterhin als Graue Eminenz. Ihm schwebte ein Kunstquartier – kurz KuQua – rund ums Kunsthaus und sein Verlagsimperium vor: eine Belebung der Göttinger Innenstadt, notwendig aufgrund der durch die Corona-Jahre verschärften Strukturveränderungen.

2024 geriet das Kunsthaus in finanzielle Schieflage. Eigentlich springt die Stadt dann ihren Tochterunternehmen bei. Auch hier war eine Unterstützung beabsichtigt: 200.000 Euro einmalig in die Kapitalrücklage sowie eine dauerhafte Erhöhung des jährlichen Zuschusses ab 2025 um 60.000 Euro hatte Oberbürgermeisterin Petra Broistedt (SPD) in Aussicht gestellt. Der Geschäftsführung hätte so Zeit verschafft werden sollen, zusätzliche Einnahmen aus Spenden, Sponsoring und Fördermitteln zu akquirieren. Eine sehr breite Mehrheit – CDU, Linke, Grüne und FDP – schmetterte im November den Antrag im Finanzausschuss und anschließend im Rat der Stadt aber ab, obwohl Christdemokraten und Liberale in Göttingen mit der SPD koalieren.

Die hatte die Eröffnung der Institution als ihren Erfolg verbucht– und dabei gerne daran erinnert, dass die Göttinger CDU „den höchsten Widerstand“ geleistet habe. Am Ende wird es ihr dann selbst wieder eingefallen sein: Auch ein Aufruf der Belegschaft des Hauses und eine Online-Petition vermochten nicht, das Aus noch abzuwenden.

Das Kunsthaus hatte eine große Lücke im Göttinger Kulturbetrieb geschlossen. Die Stadt ist mit Angeboten zeitgenössischer Kunst nicht besonders gut versorgt: An der Georg August Uni ist es möglich Kunstgeschichte studieren.

Ein Schwerpunkt ist laut Curriculum die berufspraktische Ausbildung durch Erarbeiten von Ausstellungen aus den eigenen Sammlungsbeständen.

Ohne das jahrzehntelange Beharren von Verleger Gerhard Steidl wäre die Einrichtung nie zustande gekommen

4,5 zweckgebundene Millionen vom Bund

Um nicht bloße Trockenübung zu bleiben, ist die kontinuierliche Urteilsbildung an guten Ausstellungen unumgänglich – für die man nun im Zweifel wieder nach Kassel, Hannover, Braunschweig oder Goslar reisen muss. Umso wichtiger wäre nun also, dass die Stadt wenigstens die Basisarbeit des 1968 gegründeten Kunstvereins Göttingen absichert.

Wesentliche Kosten des Kunsthaus-Neubaus waren zweckgebunden mit 4,5 Millionen Euro aus dem Bundesprogramm „Nationale Projekte des Städtebaus“ gefördert worden. Müssen die nun zurück gezahlt werden? „Das Kunsthaus Göttingen soll auch zukünftig ein besonderer Leuchtturm für Kunst und Kultur mit internationaler Strahlkraft sein“, heißt es dazu von der Verwaltung. Man arbeite an diesem Ziel und sehe deshalb „keine Probleme mit dem Fördermittelgeber“.

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