: Die Elbvertiefung ist rausgeschmissenes Geld
330 Millionen Euro kostet es pro Jahr, die Elbe tief zu halten. Das bringt wenig und blockiert nötige Investitionen in die Zukunft, sagt eine Studie im Auftrag von Umweltverbänden
Von Gernot Knödler
Die jüngste Elbvertiefung war volkswirtschaftlich unsinnig – so sieht es eine Studie des Centrums für Europäische Politik (CEP) im Auftrag der Umweltverbände Nabu, BUND und WWF. Die Fahrrinnenanpassung hat demnach viel Geld gekostet, generiert hohe Folgekosten – und ist dabei gar nicht entscheidend für die Zukunft des Hamburger Hafens. Im Gegenteil: Der Versuch, auf Teufel komm raus den Containerumschlag zu steigern, verstelle den Blick auf andere, lohnendere Entwicklungsmöglichkeiten. Das bisherige Geschäftsmodell sei überholt.
Die Studienautoren Henning Vöpel und André Wolf stellen fest, dass der Containerverkehr seit Jahren stagniert und auch durch die jüngste Elbvertiefung nicht zugenommen hat. Ihrer Ansicht nach ist die Tiefe der Fahrrinne aber auch nicht ausschlaggebend dafür, wie intensiv der Hafen angelaufen wird. Wichtiger dafür seien strukturelle Veränderungen, auf die Hamburg keinen Einfluss habe.
Wenn dem Mengenwachstum bei dem wirtschaftlich besonders wichtigen Containerverkehr aber Grenzen gesetzt seien, so ihre Folgerung, müsse sich der Hamburger Hafen in Kooperation mit den anderen deutschen Nordseehäfen neu erfinden. Das frei werdende Geld könne in die Sanierung der Kajen, die Digitalisierung und in die Infrastruktur für die ökologische Transformation gesteckt werden.
Wenn das so wirkt, wie sich die Studienautoren vorstellen, könnte das dazu beitragen, dass Hamburg seinen Rückstand bei Innovationen und Wertschöpfung gegenüber anderen Metropolregionen aufholt.
Dass die Tiefe der Fahrrinne nicht so eine große Rolle spielt, wie von Politik und Hafenwirtschaft angenommen, erklären Vöpel und Wolf mit der geografischen Lage. Die deutschen Häfen sind die letzten einer langen Kette nordeuropäischer Häfen, beginnend bei Le Havre, die von Schiffen aus Asien abgeklappert werden. Selten werden sie direkt und damit vollbeladen bedient.
Das erklärt, dass nur 72 ein- oder ausfahrende Schiffe im vergangenen Jahr den höchstmöglichen Tiefgang ausgenutzt haben – bei insgesamt gut 1.500 Passagen sehr großer Containerschiffe mit mindestens 8.000 Standardcontainern.
Dass die Zahl der Anläufe insgesamt stagniert, hängt damit zusammen, dass auch der Welthandel stagniert und die Wachstumsaussichten eher mau aussehen. Der Aufstieg von Ländern wie Indien und China und die sich daraus ergebenden Rivalitäten mit den etablierten Wirtschaftsmächten führten auch in der Wirtschaft zunehmend zu einem Denken in Machtblöcken, was den Handel bremst. Die USA als Führungsmacht scheinen sich vom Freihandel abzuwenden.
Das Transportvolumen könnte sich der Studie zufolge auch durch den 3-D-Druck verringern, der eine dezentrale Produktion ermöglicht. Überdies verschieben sich durch den Ausbau der Mittelmeerhäfen die Schiffsrouten. Statt bis nach Nordeuropa zu fahren, löschen die Schiffe aus Ostasien gleich in Piräus.
Aus Sicht von Vöpel und Wolf wird bei der Konkurrenz der Häfen zunehmend der Grad der Digitalisierung und Automatisierung eine Rolle spielen. Dazu kämen die Investitionen in den Klimaschutz, die für die Reeder immer wichtiger würden. Doch für die dafür notwendigen Investitionen fehle in Hamburg das Geld, das durch die Baggerei gebunden wird, warnen Studienautoren.
„Diese Investition kommt aus der alten Welt“, sagt Vöpel. 330 Millionen Euro im Jahr koste es, die Fahrrinne von der Elbmündung bis nach Hamburg frei zu halten. Allein 90 Millionen davon seien seit der jüngsten Vertiefung hinzugekommen. Umgerechnet auf die 72 Schiffe, die den maximalen Tiefgang ausgenutzt haben, ergibt sich so eine Subvention von 1,25 Millionen Euro pro Schiffspassage.
Zu den monetären kommen die ökologischen Kosten. „Infolge der Flussvertiefungs- und Strombaumaßnahmen in der Vergangenheit sowie der damit verbundenen ständigen Unterhaltungsbaggerungen“ befänden sich die Flussmündungen der Elbe, aber ebenso der Weser in einem schlechten Zustand, kritisieren die Umweltverbände. Wichtige Flachwasserbereiche verlanden, bei anhaltend warmem Wetter sinkt der Sauerstoffgehalt durch die Trübung bisweilen unter ein für Fische erträgliches Niveau.
Henning Vöpel, Centrum für Europäische Politik
Im Übrigen hätte eine Steigerung des Umschlags in Hamburg auch keinen positiven Netto-Effekt für das Klima, argumentieren Vöpel und Wolf. Auch die Reedereien müssten ab 2027 Zertifikate für Treibgasemissionen kaufen und hätten somit einen Anreiz, ihre eigenen Emissionen zu verringern. In den Elbeausbau zu investieren, um damit LKW-Fahrten zu ersetzen, wäre weitaus teurer als andere Klimaschutzmaßnahmen.
Um aus der Klemme zu kommen, plädieren die Wissenschaftler für eine koordinierte deutsche Hafenpolitik: Wilhelmshaven, Bremerhaven und Hamburg könnten bei der Verwaltung, Informationstechnik, beim Einkauf, der Forschung und Entwicklung zusammenarbeiten und damit Geld sparen. Sie könnten gemeinsam Terminals, Speicher und Pipelines planen für die zukünftige Wasserstoffinfrastruktur, die für die Energiewende benötigt wird.
Und sie könnten sich im Umschlag spezialisieren, indem die großen Schiffe zunächst Wilhelmshaven anlaufen, wo der Tiefgang kein Problem ist, und damit Häfen wie Rotterdam oder Antwerpen Paroli bieten. „Hamburg selbst könnte von einem stärker auf Technologie und Wissenschaft ausgerichteten Entwicklungspfad profitieren“, schreiben Vöpel und Wolf – wenn die Stadt das frei werdende Geld in profitablere Bereiche umlenken würde.
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