Zukunft der Vereinigten Staaten: Steigbügel für den Autokraten
Macht- und führungslos schauen die US-Demokrat*innen dabei zu, wie Donald Trump den Staat umbaut. Als wäre er ein ganz normaler Präsident.
Die Demokratische Partei, die nach der verheerenden Wahlniederlage im vergangenen November weder das Weiße Haus noch Senat oder Repräsentantenhaus kontrolliert, konnte dabei nur zusehen. Als Vorsitzende des gemeinsamen Kongressausschusses für Amtseinführungsfeiern – ja, das gibt es wirklich – hatte die Demokratische Senatorin Amy Klobuchar aus Minnesota gar die Aufgabe, den reibungslosen Ablauf von Trumps Krönungsfeierlichkeiten zu organisieren. Auch dank ihr lief die Machtübernahme jenes Mannes störungsfrei, den eine Mehrheit gewählt hat, obwohl die Demokrat*innen ihn in vielen Monaten Wahlkampf zu recht als kriminelle, extremistische Gefahr für die USA brandmarkten. Der Widerspruch zwischen den Warnungen aus dem Wahlkampf und dem zuvorkommend ausgerollten Teppich am Montag war schon auf der Ebene der Bilder kaum auszuhalten.
Er markiert das Dilemma einer Demokratischen Partei, die auf nationaler Ebene macht- und führungslos dasteht. Vom inzwischen 82-jährigen Ex-Präsidenten Joe Biden wird nicht mehr viel zu hören sein. Die Zukunft seiner glücklosen Vizepräsidentin, der unterlegenen Kandidatin Kamala Harris, ist unklar. Manche Beobachter*innen gehen davon aus, dass sie 2028 erneut eine Präsidentschaftskandidatur versuchen wird, andere glauben, dass sie 2026 als Gouverneurin von Kalifornien antreten wird, wenn der amtierende Gavin Newsom nicht erneut kandidieren darf. Vielleicht aber zieht sie sich auch ganz aus der Politik zurück.
So bleibt es zunächst drei Männern vorbehalten, die Botschaft der Demokrat*innen auf nationaler Ebene zu definieren: den beiden Fraktionsvorsitzenden Hakeem Jeffries (Repräsentantenhaus) und Chuck Schumer (Senat) sowie dem Vorsitzenden des Democratic National Comittee (DNC). Das Gremium kommt einem Parteivorstand im deutschen Verständnis am nächsten – und ist trotzdem ganz anders. 448 Mitglieder aus allen 50 Bundesstaaten gehören dem DNC an, am 1. Februar wird ein neuer Vorsitzender gewählt. Die besten Chancen hat Ken Martin, derzeit Chef der Demokratischen Partei in Minnesota. Aber anders als in Deutschland gibt der Parteivorstand nicht die politische Linie vor, schreibt keine auf Parteitagen diskutierten Leitanträge, sondern organisiert und schafft Geld heran. Damit übt er dann allerdings parteiintern Einfluss aus.
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Wenig Interesse an Kritik
Kaum jemand hat das so sehr gespürt wie Bernie Sanders, der linke Senator aus Vermont, der in seinem Vorwahlkampf um die demokratische Präsidentschaftskandidatur 2016 nicht nur gegen Hillary Clinton antrat, sondern auch gegen das DNC. „Die Demokratische Partei wird immer mehr zu einer von Milliardären dominierten Partei, die von gutbezahlten Beratern geführt wird, deren Ideologie darin besteht, an den Randbereichen eines höchstgradig ungerechten und unfairen oligarchischen Systems herumzupfuschen“, sagt Sanders.
Ken Martin als vermutlich neuer Chef hat bislang wenig Interesse signalisiert, sich mit derartiger Kritik auseinanderzusetzen. Ihm geht es darum, Parteistrukturen wiederaufzubauen, wo die Demokrat*innen überhaupt nicht mehr sichtbar sind – und das gilt für große Teile des Landes, die auf den Nachwahlkarten als riesige rote, also republikanische Flächen auftauchen. Dazu braucht es vor allem Geld, und das will Ken Martin auftreiben.
Die Ideen hingegen müssen sich zunächst im Kongress zeigen, und auch dort navigieren die Senator*innen und Abgeordneten auf dünnem Eis. Wer als Demokrat aus einem Wahlkreis kommt, in dem bei der Präsidentschaftswahl Trump gewonnen hat, wird sich gut überlegen, welche Kämpfe wirklich zu führen sind und welche besser nicht. Und nachdem Kamala Harris mit dem Versuch gescheitert ist, ihren Wahlkampf auf die Warnung vor Trump aufzubauen, sind offensichtlich viele Demokrat*innen verunsichert. Scheinbar so sehr, dass zwölf demokratische Senator*innen und 48 demokratische Abgeordnete in dieser Woche sogar dem Laken Riley Act zustimmten. Mit dem Gesetz kann Donald Trump seine Pläne zur millionenfachen Abschiebung undokumentierter Migrant*innen leichter in die Tat umsetzen. Wer auch nur im Verdacht einer Straftat steht, kann sofort in Abschiebehaft genommen werden, heißt es da. Fundamentale Prinzipien des Rechtsstaats werden damit aufgegeben. Demokrat*innen hätten dem Gesetz niemals zustimmen dürfen.
John Fetterman ist einer derer, die für diesen Spagat stehen. Fetterman ist Senator aus Pennsylvania – einem der Staaten, die als Teil der alten „Blue Wall“ den Demokraten bei vielen Präsidentschaftswahlen zu Siegen verhalf, aber im November deutlich an Donald Trump ging. Als erster Demokrat traf er Trump noch vor dessen Amtseinführung in Mar-a-Lago und signalisierte ihm Bereitschaft zur Zusammenarbeit. Trump, der Fetterman zuvor als „rasenden Irren“ bezeichnet hatte, lobte ihn nun als „beeindruckende Persönlichkeit“. Fetterman wurde schließlich zum Mitinitiator des Laken Riley Acts. Auf der anderen Seite stehen jene Senator*innen, die in den verschiedenen Senatsanhörungen der Nominierten für Trumps Kabinett durch besonders scharfe Fragen hervorstechen. Tim Kaine etwa, demokratischer Senator aus Virginia, grillte Trumps Pentagon-Kandidaten Pete Hegseth für seine außerehelichen Affären und sein Alkoholproblem am Arbeitsplatz. Das ist der Stoff, aus dem Clips in sozialen Medien entstehen.
Trump hat tatsächlich eine Stimmenmehrheit
Dass sich Demokratische Abgeordnete und Senator*innen nicht einig sind, ist nichts Neues: Zwischen der linken Ikone Alexandria Ocasio-Cortez aus New York und dem konservativen Vicente González aus Texas gibt es wenig Gemeinsamkeiten. Aber die Frage nach der strategischen Ausrichtung im Kongress beschäftigt die Demokraten gerade jetzt ganz besonders. Eine zu fundamentale Opposition gegen Trump halten etwa die Fraktionsvorsitzenden Jeffries und Schumer für wenig ratsam – immerhin hat Trump im November nicht nur die meisten Wahlleute im Electoral College gewonnen, sondern als erster Republikaner seit 20 Jahren auch landesweit eine Stimmenmehrheit bekommen.
Dabei verhalten sich die Demokrat*innen bei ihren strategischen Überlegungen für die Zwischenwahlen 2026 und die nächste Präsidentschaftswahl 2028 so, als wäre da ein ganz normaler republikanischer Präsident im Weißen Haus. Das Credo: Die Erfahrung zeige, dass bei den Zwischenwahlen meist die Opposition gewinnt, sodass eine oder gar beide Kammern wieder demokratisch kontrolliert werden. Bis dahin, hoffen die Demokraten, dürfte ohnehin klar sein, dass viele von Trumps Politikvorschlägen das Leben der Menschen nicht verbessern. Ab 2026 bauen sich dann, vermutlich aus dem Kreis der demokratischen Gouverneur*innen, neue Präsidentschaftskandidat*innen auf, die den wenig charismatischen J. D. Vance 2028 schon besiegen werden. Dieser scheint als republikanischer Trump-Nachfolger schon jetzt gesetzt.
Das wirkt einerseits angenehm unaufgeregt. Andererseits werden die Demokrat*innen der akuten Bedrohung der demokratischen Institutionen und so vieler Lebensrealitäten durch die Trump-Regierung nicht gerecht. Wenn die Demokrat*innen es wieder nicht schaffen, in Zeiten der Not an der Seite der betroffenen Menschen zu stehen, werden sie dafür kaum belohnt werden.
Womöglich lohnt der Versuch, Trumps rhetorische wie tatsächlichen Überwältigung von Öffentlichkeit, Medien und Opposition ins Leere laufen zu lassen. Schnappatmung hilft nicht. Nur: Mitmachen wie beim Laken Riley Act dürfen Demokrat*innen nicht. Eine Partei, die jahrelang vor dem Faschismus warnt und ihm dann den Steigbügel hält, wenn es darauf ankommt, braucht kein Mensch.
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