Toiletten putzen, Hunde ausführen, frieren

Der „Dr. Azubi“ des Gewerkschaftsbundes fahndet nach den fiesesten Meistern im Lande. Im „Schwarzbuch Ausbildung“ stellt der DGB 77 Lehrlinge vor, die von ihren Chefs belästigt werden. Arbeitgeber fühlen sich ertappt

BERLIN taz ■ Die angehende Hotelkauffrau Suse arbeitet 70 Stunden pro Woche und spricht von „moderner Sklaverei“. Ein anonymer Lackiererlehrling arbeitet bei drei Grad Werkstatttemperatur; die Füße muss er sich mit einem Föhn wärmen. Und für Dani besteht ihre Ausbildung zur Bürokauffrau aus Toiletten putzen, Pappe zerkleinern und dem Ausführen der Hunde ihres Chefs.

Dani, Suse und 75 weitere Jugendliche erzählen die Geschichte ihrer Lehre im „Schwarzbuch Ausbildung“, das der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) seit gestern veröffentlicht. Das Buch wertet die Fahndungsergebnisse ihres „Dr. Azubi“ aus. Diesem flotten DGB-Anwalt der geplagten Lehrlinge, der im Musikkanal MTV und online Tipps gibt, haben sich in den vergangenen zwei Jahren rund 2.000 Jugendliche anvertraut. Via Internet und Telefon berichteten die Azubis über Ausbeutung, Mobbing oder sexuelle Belästigung an ihrem Arbeitsplatz.

„Das Ausmaß der Fälle hat uns überrascht“, sagte DGB-Bundesvorstandsmitglied Ingrid Sehrbrock gestern anlässlich der Vorstellung der Ergebnisse in Berlin. Man habe die Berichte der Jugendlichen bei den betroffenen Betrieben jedoch nicht auf ihren Wahrheitsgehalt geprüft. Aber für Sehrbrock und den DGB steht dennoch fest, dass die Schilderungen der Azubis authentisch seien. „Die Situation auf dem Ausbildungsmarkt ist weiter schlecht. Auch der Ausbildungspakt hat keine Entlastung gebracht“, sagte Sehrbrock, „und gerade weil dieser Druck so groß ist, lassen sich Jugendliche viel zu viel gefallen.“

Der Hauptgeschäftsführer des Industrie- und Handelskammertags, Martin Wansleben, betonte, die Kammern nähmen die Probleme von Auszubildenden längst ernst: „Wir kümmern uns um jeden einzelnen Beschwerdefall“, sagte Wansleben der taz. Vor dem Hintergrund von 1,7 Millionen Azubis in Deutschland seien die vom Gewerkschaftsbund genannten Probleme lediglich bedauerliche Einzelfälle.

Bildungsexpertin im DGB-Vorstand Sehrbrock erweiterte ihre Kritik freilich. Die schlechte Qualität der Ausbildung sei in vielen Betrieben der Hauptgrund für die hohe Abbrecherzahlen unter den Lehrlingen: Im Durchschnitt liegt sie bei 22 Prozent, in einzelnen Branchen wie dem Einzelhandel und dem Hotel- und Gaststättengewerbe bei 40 Prozent.

Die gescholtenen Arbeitgeber weisen die Vorwürfe allerdings zurück. „Gewerkschaften bringen in schöner Regelmäßigkeit Schwarzbücher heraus“, sagte Ingrid Hartges, Geschäftsführerin beim Deutschen Hotel- und Gaststättenverband. Sie bezeichnete die DGB-Initiative als „kontraproduktiv“ – die Gewerkschaften könnten nicht gleichzeitig mehr Lehrstellen einfordern und dann „ganze Branchen pauschal und unsachlich an den Pranger stellen“. Gegen „schwarze Schafe“ unter den Ausbildungsbetrieben müssten die zuständigen Kammern vorgehen. Im Notfall müsse den bösen Chefs eben die Ausbildungserlaubnis entzogen werden. KLAUS JANSEN